Vielleicht koche ich einfach zu gerne

"ÜberLeben": Interessant, wie schwer es fällt, sich Freiheit wieder anzugewöhnen.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Es ist interessant, wie leicht es fällt, sich Freiheit abzugewöhnen – und wie schwer, sie sich wieder zu nehmen. Ich war seit den Öffnungen erst einmal in einem Lokal, für 30 Minuten und eine nicht sehr gute Grießnockerlsuppe. Ich habe dabei festgestellt: Nein, ich habe Essengehen nicht vermisst. Ich bin ein Heimesser und Heimtrinker und vor allem ein Heim-Aufs-Klo-Geher. Möglicherweise koche ich einfach zu gerne selbst. Und möglicherweise sind die Spargelspaghetti mit Schafkäse, die meine Freundin zubereitet, einfach zu gut. Möglicherweise bin ich für Gasthäuser als Zielgruppe verloren gegangen.

Dafür bin ich jetzt wieder ständig im Theater. Ich habe diesen Ort, an dem Welten aus Licht, Luft und Sprache errichtet und wieder zerschlagen werden, zutiefst vermisst. Und die neuen Abstandsregeln kommen mir mit meinem Mr.-Monk-artigen Wesen durchaus zugute. Ich mag Abstand, vor allem, wenn ich stundenlang im Dunkeln sitze. Am liebsten wäre mir ja, die Theater würden nur für mich spielen, was aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist.

Meinem Sohn beim Footballspielen zuzuschauen, das habe ich enorm vermisst: Wir sitzen im Stadion, haben jede Menge Luft um uns herum und trotzdem Masken auf, was ein bisschen absurd, aber Vorschrift ist. Die Sonne scheint und die Mannschaft spielt richtig gut. Meine Freundin isst einen Burger, ich warte lieber auf die Spargelspaghetti am Abend.

Sonne habe ich vermisst, mehr als alles andere. Wir hatten jetzt acht Monate lang Winter, was ich, der sich am wohlsten bei 35 Grad fühlt, schlecht aushalte. Aber dafür kann niemand was, nicht einmal Corona.

Am Abend landet dann plötzlich ein Hubschrauber mitten in der Wohnsiedlung. Ein Nachbar hat einen Aortariss erlitten, der Hubschrauber kommt leider zu spät.

Das Leben ist kostbar, denke ich mir, und ja, ich möchte mich rasch wieder an Freiheit gewöhnen.

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