Unwörter und Wort-Schätze

Wie der Schienenersatzverkehr seinen Schrecken verlor
Barbara Beer

Barbara Beer

Begegnungszonen, Baustellen, Schienenersatzverkehr. Kann diese Kolumne noch gut ausgehen?

Ja, sie kann.

Was haben wir uns gefürchtet vor dieser Woche und was haben wir vorauseilend gejammert! Sowohl die Schnellbahn als auch die U-Bahn, die vom Westen in die Stadt hineinführen, sind wegen Gleisarbeiten streckenweise gesperrt. Ja, es ist mühsamer geworden, der Weg in die Arbeit dauert länger. Und erst das Heimkommen! Aber. Die Mitarbeiter der Wiener Linien waren um Schadensbegrenzung bemüht, informierten über alternative Routen und blieben auch den Grantlern gegenüber freundlich. Der gefürchtete Ausnahmezustand in Gestalt von Schienenersatzverkehr und U6 verlor rasch seinen Schrecken. Und so sieht man dieser Tage auf der schlecht beleumundeten alten Stadtbahn-Strecke so manche Hietzingerin, die ihr Chanel-Tascherl mutig der Hochrisikozone U6 aussetzt.

Noch etwas ist dieser Tage weniger schlimm als befürchtet: die Baustelle Rotenturmstraße. Also, die Baustelle selbst ist natürlich unangenehm, aber das Theater um die Umgestaltung zur Begegnungszone hat sich in Grenzen gehalten. Insbesondere die Wiener Wirtschaftskammer, die ja beim Umbau der Mariahilfer Straße der Meinung war, das Ende der Geschäftswelt stehe kurz bevor, ist diesmal auffallend guter Dinge. Die meisten Wirtschaftstreibenden sehen die momentanen Zores gelassen und freuen sich, dass rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft alles wieder gut ist.

Wird am Ende das Wort Begegnungszone seinem schlechten Ruf nicht mehr gerecht?

Vom Ex-Unwort zu einem vergessenen Wort-Schatz, der nun angesichts eines Früchtesorbets wiederentdeckt wurde: Die Ogrosel. Welch wunderbarer Ausdruck für eine vergleichsweise uninteressante Frucht, deren fade hochdeutsche Bezeichnung ihrer kulinarischen Freudlosigkeit entspricht.

Ach, wäre doch die Stachelbeere so süß wie ihr Wiener Name, wir könnten vor lauter Orgroseln sogar den Schienenersatzverkehr lieben lernen!

Kommentare