"ÜberLeben": Noch ein paar Tage Bad bitte
War's das wirklich schon mit dem Sommer?
Herr, es ist noch nicht Zeit, der Sommer war nicht besonders groß ... (Das sind die letzten Reste des Gymnasiums in mir: Die Angst vor Mathematik und Felgaufschwüngen; ab, ex de, cum, sine, pro, prae; und die Fähigkeit, die „Bürgschaft“ und Rilke zitieren zu können.)
Ich möchte noch ein paar Mal ins Bad gehen. Das Bad ist für mich ein Sehnsuchtsort, seit meiner Kindheit. Wenn die Eltern sagten, wir fahren ins Bad, dann wusste ich: Das bedeutete Spaß, Arschbomben und Doppellutscher. Wenn meine Großmutter unter ihrer augenbetäubend grell gemusterten Badehaube da war, wahrscheinlich sogar ein Matchboxauto.
Noch heute verbringe ich die Sommer gerne im Bad. Dort, im allgemeinen Lärm, kann ich mich wunderbar konzentrieren, Kolumnen auf weiße Flecken im KURIER kritzeln, Text fürs Kabarett lernen (die Leute schauen immer sehr irritiert, wenn ich gestikulierend über die Liegefläche gehe) oder einfach nur nichts tun und dabei ruhig werden.
Das Bad vermittelt mir die wunderbare Illusion, dass die Zeit für ein paar Wochen vergisst, zu vergehen. Die riesigen Bäume mit den dunklen Blättern bewegen sich ebenso wenig wie die Stammgäste mit den dunken Leibern, bei manchen kommen halt regelmäßig neue Tätowierungen dazu. Die alte Frau, die schon vor 15 Jahren vom Sterben geredet hat, ist immer noch da, die Büffetbesitzer wechseln, aber immer noch essen die Leute am liebsten Langos oder Schnitzelsemmel mit Pommes, immer noch ist „Beckenrandspringen“ verboten, immer noch kümmert sich kein Badegast und kein Badewaschl drum.
Das Bad ist ein Zeitloch, und für ein paar süße Stunden bin ich dort wieder 16 und warte auf meine Freundin, während ich die Doors höre.
Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Guitar Solo“: 17. 9. Wien, Koci; 18. 9. Babü, Wolkersdorf; 21. 9.Stadtgalerie Mödling (Vorpremieren). 23. 9. Kulisse (Premiere).