Wo kommen wir her, wo reisen wir hin?

Warum uns fremde Friedhöfe auf Reisen so faszinieren - und was wir davon lernen können.

Ich bitte um Verzeihung, dass es in diesen Zeilen um Gräber gehen wird, Sie haben natürlich recht, das würde besser in den November passen. Aber erstens habe ich schon graue Schläfen und merke mir Dinge nicht zwingend so lange. Und zweitens dreht sich dieser Tage bei mir sehr vieles um das Beerdigen – am Freitag die Trauerfeier von der tollen Frau Inci, der Mutter eines meiner besten Freunde; am Samstag, wo man auch hinschaute, Franziskus; und heute gehe ich auf dem Weg ins Wahllokal (gehen Sie wählen, so Sie Wienerin oder Wiener sind!!!) am Strebersdorfer Friedhof vorbei.

Und bei all diesen Grab-Momenten fiel mir etwas auf: So viele werden nicht dort beerdigt, wo sie herkommen.

Natürlich ist das auf den ersten Blick nicht aufregend. Menschen kommen wo zur Welt, ziehen herum und schlagen neue Wurzeln, gründen Familien, übernehmen das Amt des Papstes in der Ferne, wie das Leben halt so spielt. Und doch stehe ich vor Gedenkinschriften wie „geboren in Istanbul, gestorben in Mödling“ besonders lange. Und denke über die Geschichten dieser Menschen nach. Was hat sie von hier nach dort gebracht? Was haben sie auf diesen Wegen erlebt, wen haben sie geliebt, wo waren sie glücklich und wo wollten sie wieder weg?

Friedhöfe zählen auch auf Reisen zu den beliebten Sehenswürdigkeiten und im Prinzip weiß niemand, warum. Ich meine damit nicht nur die weltberühmten Grabstätten wie den Highgate Cemetery in London oder Père Lachaise in Paris. Ich würde übrigens auch jedenfalls einmal den Cimitero delle Fontanelle Neapels und den Fröhlichen Friedhof im rumänischen Maramures (Bild) besuchen – der heißt wirklich so, warum auch nicht. Wahrscheinlich sind diese Friedhofsbesuche von Touristen mehr als das Anschauen von Grabsteinen und das Lesen von biografischen Kenndaten. Es sind die Momente, wo wir uns Geschichten dazu (aus)denken.

Vor allem erinnern uns Reisende jene Menschen, die nicht am Geburtsort begraben sind, einfach daran, dass wir wo sind, wo wir nicht herkommen. Dass wir aber oft besonders präsent an diesen Orten sind. Dass wir uns im Leben entwickeln, neue Wurzeln setzen und Äste und Blüten daraus entstehen. So wie die in der Türkei geborene Inci es getan hat. Oder der Argentinier Franziskus.

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