Treten Sie ein, ganz ohne Termin!

Sie wundern sich, dass ein Amt ab sofort am Sonntag geöffnet ist? Müssen Sie nicht, wir sind ja hier nicht in irgendeinem Rathaus mit streng geregeltem Parteienverkehr, mit Anträgen auf Erteilung eines Antragsformulars, mit Sachbearbeitern, die mit Daumen hoch oder Daumen runter über Förderungen entscheiden, mit politisch Verantwortlichen, die ideologische Richtlinien vorgeben, zurück zur Volkskultur oder voran zu performativem Quargel, je nach Parteifarbe und Persönlichkeit.
In diesem Kulturamt müssen Sie sich auch keinen Termin geben lassen und keine Nummer ziehen. Per Mausklick oder durch das Indiehandnehmen einer gedruckten Zeitung (Sie wissen bestimmt noch, was das ist), sind Sie mittendrin, ohne dass Sie davor kafkaeske Gänge entlang gegangen sind und auf orangen Plastiksesseln sitzend gewartet haben.
Kultur ist hier durchgehend offen und zugänglich. Und es gibt keine Sektionen und Fachgruppen, die erklären, warum sie für die jeweilige Anliegen nicht zuständig sind und dass man sich ja beim Salzamt beschweren könne.
Von Dancing Stars ...
Apropos Ausreden: Dieses Kulturamt hat keinen Politiker im Nacken, der sich hinter ihm versteckt. Und es trennt auch nicht die Hoch- von der Tief-, die Sub- von der Massen-, die arrivierte von der aufstrebenden oder untergehenden Kultur. Kultur ist nicht nur immer, Kultur ist auch alles.
Nehmen wir ein Beispiel von Freitagabend. Bei der TV-Sendung „Dancing Stars“ im ORF kam eine Baumeisterwitwe wieder eine Runde weiter – obwohl sie definitiv nicht zu den begabten Tänzerinnen zählt. Beim zeitgleich auf RTL laufenden „Let’s Dance“ schied eine sympathische Schauspielerin aus – weil sie am schlechtesten tanzte. In beiden Fällen handelt es sich um eine Unterhaltungssendung, ganz klar, aber selbst dieses Exempel zeigt, dass Qualität heute entweder am Wert verloren hat oder von jeweiligen Jurys völlig anders beurteilt wird (auch das häufig zu beobachten in herkömmlichen Kulturämtern). Jedenfalls sagt der Umgang mit Können viel über unsere Kultur aus. Quer durch alle Bereiche, bis hin zu den Eliten, was fast schon als Schimpfwort gilt.
... bis zu Philharmonikern
Das führt uns zu den Abokonzerten der Wiener Philharmoniker (lesen Sie dazu auch die kluge Kritik von Georg Leyrer), die erstmals von einer Frau dirigiert werden. Es ist schändlich, dass es so lange gedauert hat, bis in Wien stattfand, was anderorts keine Erwähnungen mehr fände. Andererseits darf man nie vergessen, dass die Philharmoniker ein privater Verein sind, der diesbezüglich tun kann, was er will und dass es erst der damalige Orchestervorstand Clemens Hellsberg war, der 1997 durchsetzte, dass Frauen ins Orchester aufgenommen werden. Die Debatte gibt es also länger, als es Wokeness-Gurus wahrhaben wollen.
Endlich ist nun Bahnbrechendes (oder Selbstverständliches) passiert, sodass es auch hier wieder primär um die Qualität gehen sollte. Die meisten Dirigentinnen, die in diesem Kulturamt über die Jahre vorstellig wurden, weigern sich nämlich, auf ihr Geschlecht reduziert zu werden.
Und weil wir grad wieder beim Kulturamt sind: Jenes in Wien dürfte weiterhin von Veronica Kaup-Hasler geleitet werden, wie man so hört. Aber auch dagegen sind Beschwerden sinnlos. Wie beim Salzamt.
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