Was eine Perücke alles ausmacht
Der Festspielsommer hat für mich seinen Zenit erreicht. Direkt unter dem mit 88 Meter höchsten Kirchturm Niederösterreichs, bei dem gewohnt grandiosen Bühnenbild von Manfred Waba, erlebten wir vor wenigen Tagen ein fröhlich-unterhaltsames Schauspiel in Stockerau. Die genialen Pointen Johann Nestroys und die kleinen Sidesteps von dem mit verschieden wechselnder Haarpracht ausgestatteten und exzellenten Christoph Fälbl sind eine gute Mischung. Immer wieder lacht das Publikum schallend, obwohl das ernste Thema Ausgrenzung leider aktuell ist.
Rothaarige Glücksbotin
Die dreiaktige Posse mit Gesang stellt einen Außenseiter in den Mittelpunkt: Der rothaarige Titus Feuerfuchs und die ebenso unter dieser eigentlich beliebten Farbe Rot leidenden Gänsehüterin Salome, genial und witzig von Caroline Vasicek personifiziert, finden erst nach Verstellen, Verirrungen und Täuschungen zueinander. Die AkteurInnen des Stücks halten uns vor Augen, was Ausgrenzung und die Blendung durch Äußerlichkeiten wie Titel, Rang und Reichtum bewirken können.
Gesteigert dadurch, sich nach dem zu richten, was andere davon halten und was zum eigenen Vorteil gereicht. In „Der Talisman“ führt das zu waghalsigen Wendungen an Aufmerksamkeit und Zuneigung. Nadja Maleh als Kammerfrau und die bewundernswerte gnädige Frau von Cypressenburg, mit der schon vor 61 Jahren am Ort aufgetretenen Ulli Fessl, ziehen uns in ihren Bann. Festspielintendant Christian Spatzek, Frau Bürgermeister Andrea Völkl, mein lieber Freund Pfarrer Andreas Kaiser und alle Mitarbeiterinnen können stolz sein. Beeindruckend, was ihr gemeinsam aufgestellt habt!
Zurecht gab es nach der Premiere stehenden Applaus. Toi, toi, toi für alle Vorstellungen in diesem August – jeweils von Donnerstag bis Sonntag. Vielleicht verhelfen sie zu mehr Aufrichtigkeit im Umgang miteinander.
Zum Autor: Ton Faber ist seit 1997 Dompfarrer in Wien. Email: a.faber@edw.or.at
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