Thomas Bernhard würde das hassen

Unterwegs als Touristin in der eigenen Stadt. Das kann mitunter ganz schön hart sein.
Barbara Beer

Barbara Beer

Der Wien Tourismus will jetzt die Innenstadt entlasten und Besucher in andere Bezirke schicken. Nun boten die Feiertage Gelegenheit für einen Faktencheck: Wie überlaufen ist die City?

In die Monet-Ausstellung in der Albertina kommt nur rein, wer früh aufsteht. Um punkt neun Uhr wartet bereits eine Menschenschlange, in der Ausstellung selbst kann man die Seerosen ungestört bewundern. Und die sehenswerte Schau der US-Fotokünstlerin Helen Levitt hat man überhaupt für sich allein.

Beim Verlassen des Hauses gegen halb elf hat das Besucheraufkommen bereits internationale Ausmaße angenommen. Ok, denkt man sich, auch für die Uffizien oder den Louvre sollte man früh aus den Federn. Was sich sonst noch rund um den plumpen Soravia-Wing der Albertina abspielt, kann man nur als Kehrseite der Medaille bezeichnen. Nämlich der grundsätzlich begrüßenswerten Tatsache, dass Wien Weltstadt geworden ist.

Dass die Touristen sogar vor dem Würstelstand eine Schlange bilden und sich begeistert mit Wieselburger und Hotdog fotografieren lassen – na, soll sein. So ein Würstel, das hat schon was nach den vielen Vanillekipferln.

Befremdlich wird’s dann im Bräunerhof. Einem jener Orte, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, wie Stadtführer schwärmen: Man werde hier noch mit Gnä Frau begrüßt und Thomas Bernhard war Stammgast. (Er würde es hassen, dass mit ihm geworben wird, aber was heißt das schon. Bernhard hasste viel und leidenschaftlich.) Gnä Frau und Begleitung haben leider einen schlechten Tag im Bräunerhof erwischt. Schon beim Eingang werden sie vom Kellner gemaßregelt: Das Lokal sei nicht selbstständig zu betreten, es werde ein Platz zugewiesen. Und zwar von einem weiteren Ober, der mit den Worten „rechts hinten – na! Rechts hob i g’sogt!“ zu einem Tisch unweit der Toilette deutet. Gedeckt mit fleckigem braunen Überwurf, dazu passend kaputte Sessellehnen. Kurz überlegt Gnä Frau, ob sie speckiges Ambiente und grobe Abfertigung heimelig finden möchte. Oder ob sie resigniert erkennen muss: Die Faszination des herben Wiener Charmes erschließt sich wohl vorrangig denen, die bald wieder abreisen.

Kommentare