Teach me if you can
Ich möchte von den positiven Nebeneffekten der Krise sprechen. Meine Tochter vermisst die Schule. Angeblich steht sie mit ihrem Kummer nicht alleine da. In Umfragen freuen sich bereits zwei Drittel der Schüler wieder auf analoge Schularbeiten mit echten Lehrern. Der Schock über den Wissensstand der eigenen Eltern dürfte nach einer Woche Homeschooling tief sitzen. Ein befreundeter Lehrer erzählte mir, dass er bei den mitgegebenen Mathematikaufgaben täglich von überforderten Eltern angerufen werde. Er unterrichtet die dritte Klasse einer Volksschule.
Als Vater fand ich es immer erfreulich, wenn das Kind am Ende einer Erzählung eingeschlafen ist, als Vertretungslehrer schmerzt es mich. Da spiele ich im Zimmer meiner Tochter die Geschichte des Römischen Reichs vor, beide punischen Kriege, verkleide mich abwechselnd als Octavian und Cäsar und reite als Hannibal mit einem Steckenpferd in Capua ein. Mein Nachwuchs blickt währenddessen mit halbgeöffneten Augen gähnend auf die Uhr. Als ich später an ihrer Zimmertür lauschte, hörte ich nur, wie meine Tochter einer Freundin am Handy erzählte, dass sie bei einer Wahl zwischen einer weiteren Geschichtsstunde und einer Darmgrippe ins Grübeln kommen würde. Die beiden Rollen, Vater und Lehrer, stehen sich ständig im Weg.
Am Vormittag nehme ich im Unterricht meiner Tochter das Handy weg, mit der Bemerkung, es dürfen sich am Nachmittag die Eltern dieses bei mir abholen. Ohne Tabletten schaffe ich das nicht noch eine Woche. Große Sorgen bereitet mir auch die Abwicklung des Elternsprechtages. Ich bin mir sicher, in wenigen Wochen werden sich sämtliche Eltern einig sein: Wir haben die besten Schulen der Welt. Wir fordern weder Lehrplanreform noch motivierte Pädagogen. Es genügt, wenn sie das Gebäude aufsperren.
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