Sind Sie ein guter Mensch?
Vor Kurzem bestellte ich im Internet Tennisschuhe. Sofort ertönte die Stimme meines schlechten Gewissens. „Bravo Klaus, mit der Bestellung verliert jetzt ein Mitarbeiter im stationären Schuhhandel seinen Arbeitsplatz.“
Natürlich konnte ich als Gegenargument anführen, dass ich dadurch vielleicht einen Arbeitsplatz für einen Paketdienstfahrer schaffe, aber ich bin diese ständigen inneren Diskussionen leid.
Fliege ich mit dem Flugzeug, zerstöre ich das Klima; fliege ich nicht, zerstöre ich die Fluglinie. Arbeite ich viel, habe ich kein Leben; arbeite ich wenig, habe ich keine Pension. Esse ich eine gespritzte Gurke aus dem Marchfeld, ist es falsch; esse ich eine Biokiwi aus Neuseeland wahrscheinlich auch. Trinke ich ein Bier, schade ich meiner Leber; trinke ich kein Bier, schade ich meinem Wirten.
Verwende ich eine Nespresso-Kapsel, leidet die Umwelt; verwende ich keine, leidet George Clooney. Fahre ich auf Urlaub in die Türkei, unterstütze ich Erdoğan, in Ungarn Viktor Orbán, in Amerika Donald Trump. Bald verbringe ich meine Urlaube nur noch in Andorra. Dort kenne ich den Regierungschef nicht. Habe ich als Kabarettist Erfolg, verdirbt das meinen Charakter; habe ich keinen, verende ich bei den Dancing Stars.
Ich bin zunehmend verunsichert.
Ich kontrolliere bei jeder Unterhose, ob sie in Bangladesch genäht wurde, ob ich beim Geschirrspüler die Energiespartaste gedrückt habe und ob ich meine Katze nur mit laktosefreier Biomilch von glücklichen Freilandkühen füttere (Ich vermute, meiner Katze ist das ziemlich wurscht).
In Indien hat ein Junge seine Eltern vor Gericht verklagt, weil sie ihn geboren haben. Das werde ich jetzt auch machen. Weil der wahre gute Mensch kommt erst gar nicht auf die Welt.
Der Kabarettist Klaus Eckel ist einer der Autoren dieser Kolumne.
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