"Überleben": Schau, die schönen Wurzeln!

Klettern mit Panikattacke kann ein sehr interessantes Erlebnis sein.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Es ist acht Uhr früh, also für meine Verhältnisse mitten in der Nacht. Wir marschieren durch den Wald, meine Freundin, meine Schwester und ich. Meine Freundin, die einfach immer gut gelaunt ist, findet alles schön: "Schau, die schönen Bäume! Schau, die schönen Felsen! Schau, die schönen Schmetterlinge!"

Schließlich erreichen wir ein steiles Wegstück, wo wir über Wurzeln klettern müssen, und meine Freundin ruft tatsächlich: "Schau, wie schön, eine Treppe aus Wurzeln!" Ich bringe nur knurrende Laute heraus, um diese Tageszeit bevorzuge ich Stille und Schweigen, gute Laune von anderen macht mich ein wenig verzweifelt. Meine Schwester unterdrückt ein Kichern. Sie kennt sowohl mich als auch meine Freundin gut und findet das alles sehr amüsant.

Wir sind unterwegs zu einem Klettersteig, meine Freundin und ich haben das Klettern als neues Hobby entdeckt, und meine Schwester, eine erfahrene Bergsteigerin, unterstützt uns. Wenn es nach mir ginge, würden wir am Nachmittag klettern gehen, aber meine Schwester verträgt die Sonne nicht – die mich wiederum gar nicht stört.

Wir erreichen den Wandfuß, setzen unsere Helme auf, kontrollieren unsere Sicherungssets und beginnen zu klettern.

Ich liebe Klettern, aber ich hasse den Blick in die Tiefe. Nach etwa 50 Höhenmetern baut sich meine Schwester einen Stand, und während sie mit dem Popo über dem Abgrund hängt, beginnt sie tatsächlich, mit dem Handy zu filmen. Ich sehe meine Schwester, wie sie in der Wand hängt, und bekomme eine Panikattacke. Ich starre die Wand an und beginne, meine Atemzüge zu zählen, was immer hilft. Eine halbe Stunde später haben wir die Wand durchstiegen, und ich muss drei Zigaretten hintereinander rauchen. Meine Freundin ruft "Jö, die schönen Zigaretten", dann essen wir Wurst und Käse, und ich denke mir: Das Leben kann schon ziemlich schön sein, vor allem, wenn alle am Leben sind.

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