Liebe Frau M., grundsätzlich endet das Recht auf Privatsphäre dort, wo andere erheblich beeinträchtigt oder gefährdet werden. Während Unordnung in der eigenen Wohnung allein noch kein Problem darstellt, können extreme Zustände, etwa starke Geruchsbelästigung, Schimmelbildung oder Schädlingsbefall, sehr wohl das Zusammenleben in einem Mehrparteienhaus beeinträchtigen und sogar gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Bei akuten hygienischen Problemen, die das Stiegenhaus oder andere Allgemeinflächen betreffen, können sich Mieter oder Eigentümer an die Gemeinde wenden, in Wien somit an den zuständigen Magistrat. Dort kann eine Prüfung durch die MA 15 (Gesundheitsdienst) veranlasst werden. Wird dabei festgestellt, dass ein sanitärer Missstand vorliegt, erhält die betroffene Person eine behördliche Aufforderung zur Beseitigung. Erfolgt dies nicht, kann die Stadt eine Räumung oder Reinigung veranlassen. Bei unmittelbarer Gesundheitsgefährdung können auch Sofortmaßnahmen eingeleitet werden, in schweren Fällen sogar mit Einschaltung von Polizei oder Amtsarzt.
Oft reicht das bloße Entrümpeln nicht aus, da schwere Verwahrlosung häufig mit psychischen Erkrankungen verbunden ist. Wenn die betroffene Person einsichtig ist und Hilfe annehmen möchte, kann der Psychosoziale Dienst eine erste Anlaufstelle sein. Eine zwangsweise psychiatrische Unterbringung ist hingegen nur in sehr engen gesetzlichen Grenzen möglich, so muss eine erhebliche Gefahr für die eigene oder fremde Gesundheit bestehen und es dürfen keine andere Behandlungsmöglichkeiten in Frage kommen. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Erwachsenenvertretung, wenn die Nachbarin offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Eine solche kann von jedem beim zuständigen Bezirksgericht angeregt werden. Das Gericht prüft dann mithilfe von Sachverständigen, ob die betroffene Person tatsächlich Unterstützung benötigt und ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Sollte es sich „nur“ um störendes Verhalten handeln, etwa unangenehme Gerüche oder abgestellte Gegenstände, empfiehlt sich zunächst das direkte Gespräch. Das Abstellen von Gegenständen auf allgemeinen Teilen ist grundsätzlich nicht erlaubt, jedoch darf man sie auch nicht einfach entfernen. Hilft das Gespräch nicht, kann die Hausverwaltung oder der Hauseigentümer eingeschaltet werden. In Mietshäusern kann ein Verstoß gegen die Hausordnung zur Abmahnung oder im Extremfall sogar zur Kündigung führen.
Unabhängig vom rechtlichen Rahmen bleibt ein sensibler Umgang wichtig. Mediation oder die Unterstützung durch Fachstellen kann helfen, Konflikte frühzeitig zu entschärfen, bevor sie eskalieren.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts
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