Sind die Äpfel vom Nachbarsbaum „verbotene Früchte“?

Mein Nachbar hat in seinem Garten einen Apfelbaum stehen, dessen Äste in meinen Garten hinüberwachsen. Da ich kein gutes Verhältnis zu meinem Nachbarn habe, frage ich sicherheitshalber an, ob ich die überhängenden Äpfel pflücken darf? Und was passiert mit dem Fallobst? Das macht nicht nur Dreck, sondern riecht auch unangenehm. Kann ich dagegen irgendetwas tun?
Cornelia B.
Sehr geehrte Frau B., Ihre Fragen sind berechtigt und führen in der Praxis tatsächlich oft zu Streitigkeiten zwischen Nachbarn. Das Eigentum an einem Baum bestimmt sich nach dem Stamm, der aus dem Boden hervorragt und nicht nach seinen Wurzeln oder Ästen. Ein Grundeigentümer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Bäume oder Sträucher nicht an der Grenze oder Grenznähe zu pflanzen oder so zu pflanzen, dass Äste oder Wurzeln nicht über die Grenze wachsen können. Vielmehr ist es so, dass Äste, die zum Nachbargrundstück überhängen, als sogenannter „Überhang“ Bestand der Liegenschaft bleiben, auf der der Baum steht und wegen ihrer natürlichen Verbindung mit dem Stamm des Baumes Eigentum des Baumeigentümers sind. Der Baumeigentümer ist damit auch berechtigt (aber nicht verpflichtet!), den Überhang zu beseitigen. Sie, Frau B., haben daher weder Eigentum, noch Besitz an den auf Ihr Grundstück überhängenden Ästen und damit auch nicht an den Äpfeln. Jedoch wird Ihnen mit § 422 ABGB ein Selbsthilferecht und auch ein Überhangsrecht eingeräumt. Dabei handelt es sich um das Recht des Grundstückseigentümers, den von einem benachbarten Baum auf sein Grundstück wachsenden Überhang in Form von Ästen oder Wurzeln zu beseitigen oder sich das Eigentum an den überhängenden Früchten, Äste und Wurzeln „anzueignen“. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass man bei der Selbsthilfe zur Rücksichtnahme verpflichtet ist und das Recht auf Beseitigung überhängender Äste und Wurzeln unter größtmöglicher Schonung der Substanz ausgeübt werden muss. Sollte nicht im Sinne dieser Pflicht gehandelt werden, hat der Baumeigentümer einen Anspruch auf Ersatz eines ihm entstehenden Schadens.
Äpfel, die vom Überhang auf Ihren Grund fallen, kommen bereits mit der Loslösung vom Baum in Ihr Eigentum. Bei Äpfeln, welche noch am Baum hängen, erlangen Sie aufgrund des Aneignungsrechtes erst dann Eigentum, wenn Sie diese pflücken. Voraussetzung ist allerdings immer, dass die Äpfel tatsächlich von herüberragenden Ästen stammen! Früchte, die zwar in Griffweite, aber jenseits der eigenen Grundstücksgrenze sind, dürfen nicht gepflückt werden. Dies würde einen Diebstahl verwirklichen. Auch auf Früchte, die von nicht überhängenden Ästen auf Ihren Grund fallen, haben Sie keinen Anspruch. Diese Äpfel stehen weiterhin im Eigentum Ihres Nachbarn als Eigentümer des Baumes und hätte dieser im Ernstfall das Recht, die Früchte von Ihnen zu fordern. Bezüglich des Drecks und Geruchs, den die hinunterfallenden Äpfel der hinüberragenden Äpfel verursachen, besteht im Grunde eigentlich kein spezielles Recht zur Verfügung, um sich dagegen zu wehren. Allenfalls haben Sie hier aber das besagte Selbsthilferecht zur Entfernung der überhängenden Äste.
Zur Autorin:
Mag. Margot Rest ist Rechtsanwältin und Partner bei Ruggenthaler, Rest & Borsky in Wien.
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