Liebe Frau K., ich wünsche Ihnen gute Besserung und eine rasche Heilung! Leider kommen zusätzlich zu den Schmerzen nach einem Unfall oft auch noch juristische Probleme auf Verletzte zu.
Die Streupflicht des Vermieters wird als Nebenpflicht aus dem Mietvertrag angesehen. Grundsätzlich ist Ihr Vermieter daher verpflichtet, die Wege in der Wohnhausanlage bei entsprechenden Wetterverhältnissen zu streuen bzw. durch einen Winterdienst betreuen zu lassen. Der Vermieter muss alle Vorkehrungen treffen, die vernünftigerweise nach den konkreten Umständen erwartet werden können. Das gilt sowohl für die Häufigkeit des Streuens, als auch für die verwendeten Streumittel.
Der Umfang der Streupflicht hängt daher immer vom konkreten Einzelfall ab. Für öffentliche Gehsteige und Gehwege regelt § 93 StVO (Straßenverkehrsordnung), dass diese in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr bei Schnee und Glatteis bestreut werden müssen. Maßnahmen gegen Glatteis müssen daher nicht „rund um die Uhr“ getroffen werden. Das wäre den Hauseigentümern regelmäßig unzumutbar.
Diese Bestimmung wird regelmäßig auch auf private Gehwege in Wohnhausanlagen angewandt, bei denen sich die Streupflicht aus dem Mietvertrag ableitet und darauf bezieht sich Ihre Hausverwaltung offenbar. Dennoch hat sie mit der allgemeinen Aussage, „in der Nacht muss sie nicht streuen (lassen)“, nicht recht. Auch wenn in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr Früh keine allgemeine Streupflicht besteht, kann eine solche im Einzelfall sehr wohl gegeben sein.
So ist der Vermieter nämlich dazu verpflichtet, Maßnahmen gegen Glatteis auch in der Nacht zu ergreifen, wenn es konkret vorhersehbar ist, dass aufgrund einer außergewöhnlichen Wetterlage mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Glatteis zu rechnen ist. Bloße Nebelbildung und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt reichen für eine vorsorgliche Streupflicht für Wege in Wohnhausanlagen noch nicht aus. Bei entsprechend eindeutigen Wetterwarnungen vor Glatteis in der Nacht kann daher sehr wohl auch in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr Früh eine Streupflicht bestehen.
Die Ablehnung Ihrer Schmerzengeldansprüche alleine deshalb, weil Ihr Sturz um 23 Uhr passiert ist, ist daher nicht zwingend richtig.
Ob Ihnen nach Ihrem Sturz in der Nacht auf einer Eisplatte auf einem Gehweg in Ihrer Wohnhausanlage Schmerzengeldansprüche zustehen, hängt vielmehr davon ab, ob es konkret vorhersehbar war, dass es in dieser Nacht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Glatteisbildung kommen wird. Wäre das in der konkreten Nacht etwa aufgrund von entsprechenden Wetterwarnungen der Fall gewesen, könnten Sie Schmerzengeldansprüche erfolgreich gegen Ihren Vermieter durchsetzen.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.
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