Liebe Frau P., ein Recht auf eine Erbschaft gibt es in Österreich grundsätzlich nicht. Kinder und Ehepartner haben aber einen Anspruch auf einen Pflichtteil. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts. Da Sie von zwei Schwestern schreiben, hätte daher jede Tochter Anspruch auf 1/4 der Verlassenschaft als Pflichtteil.
Über die Hälfte seines Vermögens kann Ihr Vaters sohin immer frei nach seinem Tod verfügen. Die andere Hälfte seines Vermögens steht seinen Pflichtteilsberechtigten, sohin den beiden Töchtern, zu gleichen Teilen zu.
Dieser Pflichtteilsanspruch kann Kindern nicht einfach willkürlich verwehrt werden. Wenn man seinen Kindern den Pflichtteil verwehren will, sie sohin rechtswirksam enterben möchte, müssen schwerwiegende, im Gesetz genau festgelegte Enterbungsgründe vorliegen.
Eine Enterbung ist demnach möglich, wenn ein Pflichtteilsberechtigter eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Ebenso zu einer Erbunwürdigkeit führen Delikte gegen den Nachlass, also etwa der Diebstahl von Wertgegenständen des Verstorbenen oder auch die verbotene Abhebung vom Konto des Verstorbenen. Wird ein Pflichtteilsberechtigter zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, stellt dies ebenfalls einen Enterbungsgrund dar.
Auch das Zufügen von schwerem seelischen Leid kann ein Enterbungsgrund sein. Darunter versteht man das Im-Stich-Lassen des Erblassers im Notfall, sofern damit schweres seelisches Leid verbunden ist.
Schließlich ist auch erbunwürdig und kann sohin enterbt werden, wer seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern gröblich vernachlässigt. Es mag verständlich sein, wenn sich Ihr Vater häufigere Besuche, noch mehr Unterstützung und eine innigere emotionale Beziehung zu seinen Töchtern wünscht. Eine seltene Besuchsfrequenz für sich allein stellt aber noch keine, jedenfalls aber keine gröbliche Verletzung von familienrechtlichen Kindespflichten dar. Eine Enterbung nur deshalb, weil man sich mehr Besuche der Kinder wünscht, ist daher nicht zulässig.
Nur bei Vorliegen von Enterbungsgründen kann die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils durch letztwillige Verfügung erfolgen. Wiederholte Unmutsäußerungen vor Freunden und ständig wechselnde Drohungen, eine der Töchter zu enterben, stellen keine letztwillige Verfügung dar und führen daher auch nicht zu einer rechtsgültigen Enterbung.
Rechtsanwältin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantwortet juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.
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