EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Was man jetzt wissen muss

EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Was man jetzt wissen muss
Die Rechtsanwältinnen von DORDA beantworten juristische Fragen zu praktischen Fällen aus dem Reich des Rechts.

Ich bin Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens und höre vermehrt von der neuen EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Es ist klar, dass sich ab 2026 einiges ändern wird, aber was genau muss ich tun, um sicherzustellen, dass wir den Anforderungen entsprechen? Müssen wir wirklich alle Gehälter offenlegen?

Susi G., Tirol

Liebe Frau G., kurz vorab: Nein, Sie müssen nicht „alle Gehälter offenlegen“. Die Richtlinie, die bis 7.6.2026 in nationales Recht umzusetzen ist, verpflichtet Unternehmen zu fairen Gehaltsstrukturen und mehr Lohntransparenz. Ziel ist es, ungleiche Bezahlung zwischen Männern und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit zu beseitigen. Dabei geht es nicht um die individuelle Offenlegung aller Gehälter. Vielmehr müssen Arbeitgeber geschlechtsneutrale, transparente Vergütungsstrukturen schaffen und sicherstellen, dass Entgeltdifferenzen ausschließlich auf objektiven Kriterien wie den Arbeitsbedingungen oder dem Verantwortungsbereich basieren. Insbesondere haben Ihre Mitarbeiter künftig auch ein individuelles Auskunftsrecht, über das durchschnittliche Entgelt von Kollegen, die gleiche oder gleichwertige Arbeiten verrichten, informiert zu werden.

Neben der schon jetzt im Gleichbehandlungsgesetz enthaltenen Verpflichtung zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung müssen Sie künftig konkrete Informationen zum Einstiegsgehalt oder zur Gehaltsspanne angeben (und nicht mehr nur zum kollektivvertraglichen Mindestentgelt und einer allfälligen Bereitschaft zur Überzahlung). Zudem dürfen Kandidaten nicht mehr nach dem bisherigen Gehalt gefragt werden.

Auch die Pflichten rund um den zum Teil schon jetzt vorgesehenen Einkommensbericht werden erweitert: In Zukunft müssen bereits Unternehmen mit 100 Beschäftigten über das durchschnittliche Entgelt vergleichbarer Gruppen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, berichten. Ab wann und wie oft dieser Bericht genau zu erstatten ist, hängt von der Unternehmensgröße ab. Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitende gilt ab 2026 eine jährliche Berichtspflicht. Wird ein Gender Pay Gap von mehr als 5 % festgestellt, der nicht durch objektive Kriterien zu rechtfertigen ist, müssen Sie als Arbeitgeberin zudem Maßnahmen ergreifen und eine gemeinsame Entgeltbewertung mit den Arbeitnehmervertretern durchführen.

Schließlich bringt die Richtlinie auch eine bedeutende Änderung bei der Beweislast mit sich: Bei Verdacht auf Entgeltdiskriminierung müssen künftig Sie als Arbeitgeberin nachweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.

Was können Sie jetzt tun?

  • Analyse der Gehaltsstruktur: Prüfen Sie ihre aktuelle Vergütungspraxis, identifizieren Sie mögliche Ungleichheiten.
  • Dokumentation und Bewertungssystem: Definieren Sie objektive, transparente Kriterien für Entgelthöhe und -entwicklung. Dokumentieren Sie die Gründe für Gehaltsunterschiede sorgfältig, um für mögliche Streitfälle gerüstet zu sein.
  • HR-Prozesse: Kontrollieren Sie Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Sehen Sie die Umsetzung der Richtlinie als Chance: Transparenz schafft Vertrauen und wer frühzeitig handelt, gewinnt Wettbewerbsvorteile.
 

Mag. Lisa Kulmer ist Counsel und Expertin im Arbeitsrecht bei DORDA.

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