Polly Adlers Kolumne: G'rad eben so

"And Just Like That" – eine Märchenstunde für Frauen in Tory-Burch-Ballerinas

Ich kriege einen Geschmacksnervenzusammenbruch, wenn ich mir "And Just Like That" anschaue, den Aufguss von "Sex and the City". Das war einmal scharfsinnig und witzig, das Derivat ist nur mehr cheesy. Abgesehen davon, dass diese Thusneldas alle in 10-Millionen-Dollar-Appartements hausen, keinerlei nennenswerter Erwerbstätigkeit nachgehen, sich lächerliche Hüte von der Größe eines Zirkuszelts aufsetzen und null stressevozierende Termine haben, sind ihre Typen durchgehend monogam.

Ich meine Aidan, der ja seinen alkoholkranken ADHS-Sohn in Virginia behüten muss, holt sich sogar nachts in seinem Pick-up in der Pampa einen runter, wenn er Carries Mäusemädchenstimme hört und zwitschert dann auf einen Überraschungs-One-Night-Stand nach New York. Und das nach 20 Jahren Stop-and-Go-Beziehung (wobei die Stops überwogen haben).

Danke, nein, Sodbrennen, ich brauche mehr Realität und keine Märchenstunden für Frauen, die Tory-Burch-Ballerinas, eisgraue Sofas und keine Fantasie besitzen, sich aber demnächst in das Abenteuer eines Menopausenblogs stürzen wollen. Dem Himmel sei Dank gibt es auf Netflix genug, wo links oben steht "Achtung: Fluchen, Alkohol, Sex, schwarze Gedanken – erst ab 16". Nichts wie hin.

Irgendwo findet man immer eine dänische Kommissarin mit Tourette-Syndrom, die von den Dämonen ihrer Vergangenheit und der Gegenwart ihres leeren Kühlschranks heimgesucht wird. "Sei nicht so negativ", flüstert mein Freund D, der sich gerade bitter darüber beklagt, dass seine Susi sich in den HR-Typen im Büro verliebt hat. Frage: "Wie oft und wie lange hast du sie betrogen?" – "Ok, vielleicht ein, zwei, höchstens acht Mal, aber ich habe sie mit Anstand betrogen – ohne Gefühle und romantischen Firlefanz. Auch beim Fremdgehen ist Disziplin gefragt." – "Willst du sie zurück?" – "Nicht wirklich, ich will aber auch nicht, dass sie mit einem anderen glücklich wird." Brutaler Pragmatismus in Wien 1070. G’rad eben so.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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