Naja ... Alkohol?

"ÜberLeben": Im Wohnsilo wird es langsam Frühling.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ein eisiger Abend hier im Wohnsilo. Ein schwer Betrunkener sitzt auf dem Gehsteig und singt fröhlich vor sich hin. Einige Passanten rufen die Rettung, schließlich ist es ja nicht ganz ungefährlich, bei Minusgraden nachts betrunken draußen zu sitzen, fröhlich oder nicht. Die Sanitäter versuchen, den Mann zu überreden, den Rettungswagen zu besteigen.

Der will nicht, er fühlt sich sichtlich wohl, da, wo er ist. „Was haben S’ denn heute schon alles getrunken“, fragt ein Sanitäter. Der Betrunkene überlegt. „Naja“, sagt er dann, „ ... Alkohol?“  Und obwohl die Situation nicht unbedingt lustig ist, müssen alle Beteiligten schmunzeln.

Die Leute hier im Wohnsilo sind, welchen Migrations- oder sonstigen Hintergrund sie haben, nett zueinander, die meisten jedenfalls. Man schaut aufeinander, und Konflikte werden in der Regel gemütlich gelöst. Ob der alte Herd, der seit Monaten auf dem Gehsteig steht, jemals wieder entfernt wird, ist eine andere Frage.

Plötzlich ist es warm geworden. Die Raucher treffen sich wieder unter dem großen Baum, ich glaube, es ist eine Linde, es kann aber auch etwas ganz anderes sein, ich kenne mich mit Bäumen nicht aus. Die Linde hat noch keine Knospen, aber man merkt, dass sie schon fast bereit ist, man merkt beinahe, wie sie schon tief Luft holt.

Ich mag die Linde, sie gibt meiner Wohnung im Sommer ein bisschen Schatten. Ich bin zwar kein Baumumarmer, aber ich grüße die Linde jeden Tag freundlich. Alle grüßen auf einmal freundlich, die Nachbarin mit dem alten Hund, der Frühpensionist, der täglich seine Runden durch die Wohnhausanlage dreht, sogar die grantige Kassierin beim Billa. Der schwarze Bettler vor dem Penny ist sowieso immer bestens aufgelegt, „Hey Bruder!“, ruft er mir zu.

Ich mag den Sommer lieber als den Frühling, ich fühle mich erst ab 30 Grad wirklich wohl, aber der Frühling ist schon ok, er sagt mir: Der Sommer ist schon unterwegs, warte noch ein bisschen.

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