Nachweihnachtliche Delikatessen

Von trockenen Christbäumen und wiedergefundenen Plätzen beim Stammwirten
Barbara Beer

Barbara Beer

Den Jänner zu lieben, ist eine große Kunst.

Er ist kalt – wer den Oleander noch nicht reingestellt hat, braucht’s jetzt auch nicht mehr tun.

Er ist finster – kaum zu glauben, dass die Tage schon seit ein paar Wochen wieder länger werden.

Er ist lang – manchen bleibt am Ende des Geldes noch eindeutig zu viel Monat.

Geben wir dem Jänner trotzdem eine Chance. Er hat auch seine guten Seiten.

Das Beste vorweg: Die Touristen sind wieder heimgefahren. Die meisten davon am 6. Jänner. Das hat das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten beim Wirten seines Vertrauens erfahren. Kellner S., vordergründig höflich-elegant, dahinter – na, Sie wissen schon, wienerisch, eben – , Kellner S. also raunte uns unlängst, als wir leichtsinnigerweise während der Weihnachtsfeiertage die Innenstadt aufsuchten und bei besagtem Stammwirten ein Platzerl suchten, den entscheidenden Hinweis zu: „Ab Montag sind wir wieder unter uns.“

Natürlich gibt es noblere Gründe zur Freude als die Abreise von Gästen. Weit eleganter ist es, jene Momente schätzen zu lernen, die ohne große Geste daherkommen. So können dem Jänner-Geplagten auch vermeintliche Petitessen ein Lächeln auf die Lippen zaubern, wenn er sie nur wahrnimmt. Und zwar auch in kritischen Momenten, etwa beim morgendlichen Aufbruch Richtung Arbeitsplatz, wenn einem der Mann von der MA48, der gerade die Coloniakübel vor der Haustür leert, das Mistsackerl abnimmt: „Gebn’S her, g’nä Frau!“ Einfach zauberhaft! Apropos Müllabfuhr: Wien ist wohl die einzige Stadt der Welt, die eine Deponie als Ausflugsziel bewirbt. Auf der Deponie Rautenweg laben sich dieser Tage wieder die dort lebenden Pinzgauer Ziegen an nachweihnachtlichen Delikatessen: trockenen Christbäumen. Ob sie sich auch über Besuch von Gästen aus dem Ausland freuen würden? Touristen auf der Deponie statt in meinem Stammbeisel?

Grantig wie ich im Jänner bin, es wär’ mir auch nicht recht.

 

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