Mundlesen

"ÜberLeben": Dank Maske komme ich mit "Ja" und "Eh" gut durch jedes Gespräch. Wir verstehen einander nicht mehr.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Können Sie sich noch erinnern? Als wir Kinder waren, haben wir Mundlesen gespielt. Jemand musste tonlos etwas sagen, und der andere musste versuchen, den Text aufgrund der Mundbewegungen zu erraten.  Wir wurden bald ziemlich gut darin.

Jetzt, da alle FFP2-Maske tragen, komm ich drauf, wie schlecht ich jemanden verstehe, wenn ich seinen Mund nicht sehe. Die Maske dämpft den Ton ab, vor allem aber verdeckt sie die Mundbewegungen, und sie verdeckt die Mimik. Und auf einmal verstehe ich nicht mehr, was gesagt wird, und wenn ich es doch verstehe, bin ich mir nicht sicher, wie es gemeint ist. (Möglicherweise werde ich ja auch langsam schwerhörig, aber noch weigere ich mich, das zu glauben.) Aus diesem Grund telefoniere ich auch nicht gerne – ich kann das Gesicht meines Gegenübers nicht sehen.

Mir fällt jedenfalls auf, dass ich plötzlich erstaunlich oft „Wie bitte?“ sage, und ich merke, dass auch mein Gegenüber oft mit „Wie bitte?“ antwortet, wenn ich etwas sage. (In Wahrheit sagen wir natürlich vor allem „Was?“ oder, da wir in Österreich sind, „Wos?“ – aber das ist eine höfliche Kolumne, also nehmen wir jetzt einfach einmal an, wir sagen „Wie bitte?“). Gespräche in der Covid-Zeit klingen anders, man verbringt viel Zeit damit, nachzufragen, was der andere eigentlich gesagt hat.

Kürzlich war ich bei meiner Zahnärztin, sie trug Maske und Gesichtsschild, und ich verstand überhaupt nichts. Nach der Behandlung führte sie ein Gespräch mit mir, und ich verlegte mich darauf, im Wesentlichen „Ja“ und „Eh“ zu sagen. Lustigerweise schien das zu passen, denn die Zahnärztin hat sich nicht gewundert.

Wenn der ganze Wahnsinn irgendwann vorbei ist und wir wieder unmaskiert durch die Gegend laufen (außer es ist grad Fasching): Werden wir einander dann wahnsinnig gut verstehen und ein Zeitalter des gegenseitigen Verständnisses bricht an?
Hoffen darf man ja.

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