Live-Fußball: Die Inflation hat ihren Preis

Am Ball und im TV-Bild: Ronaldo und Real treffen am Mittwoch auf Bayern München.
"Tagebuch": Live-Fußball wohin das Auge reicht. Das beeinflusst das Konsumverhalten.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Nur noch mit drei Champions-League-Livespielen (das drittletzte heißt am Mittwoch Bayern – Real) darf der ORF seine Gebührenzahler beglücken. Nur noch sechs Bundesligapartien werden im ORF zu sehen sein. Danach herrscht endgültig Mattscheibe, wie das in der Europa League längst der Fall ist. Bei Puls 4 indes wurde aufs richtige Pferd, nämlich auf die Bullen gesetzt. Unabhängig vom Ausgang des ersten Semifinalspiels der Salzburger am Donnerstag in Marseille – der Privatsender, der parallel zu Sky überträgt, wird über die höchsten Quote seiner jungen Konzern-Geschichte jubeln. In der österreichischen Bundesliga wurde der ORF von Sky ausgebremst. Live-Spiele wird es nur noch im Pay-TV geben, wie das im Ausland mehrheitlich üblich ist. Dort haben staatlich-rechtliche Sender im Klub-Fußball seit geraumer Zeit kein Leiberl mehr.

Drei Monate vor dem Start der obersten, auf zwölf Klubs erweiterten österreichischen Liga, darf der ORF hoffen, dass ihn der Erstrechtebesitzer Sky eine ausführliche Zusammenfassung der Höhepunkte vom Liga-Wochenende produzieren lässt. Geschickte Redakteure und unterhaltsame Moderatoren vorausgesetzt, könnte die Show sogar die publikumswirksame Lösung sein.

Denn das Konsumverhalten beginnt sich speziell bei jungen Sehern stark zu ändern. Treue Fans wollen, soweit sie nicht ohnehin selbst im Stadion sind, zwar alle Neunzig-Minuten-Auftritte ihres Lieblingsvereins am Bildschirm sehen. Bei neutralen Zusehern aber stellt sich oft der Gähneffekt während längeren Übertragungen ein.

Zu verwöhnt

Selbst Ältere schauen mehr auf ihr Smartphone als auf das Spielfeld oder den TV-Schirm. Man ist verwöhnt durch jederzeit via Internet abrufbare internationale Highlights oder Hoppalas, dass außer Fachleuten ein normaler Spielverlauf kaum jemanden interessiert. Vor allem dann, wenn der geprägt ist von Taktik-Geplänkel. Oder wie’s der deutsche Ex-Teamspieler und TV-Analytiker Mehmet Scholl zur Empörung der Laptop-Trainer formulierte: „Wen interessiert, dass junge Spieler in 18 verschiedenen Varianten nach hinten laufen und furzen können?“

Internet und Social Media dominieren. Das stellte auch der beharrliche Facebook-Verweigerer Herbert Prohaska fest. Als der Jahrhundertfußballer vom WM-Sponsor Coca Cola dazu eingeladen wurde, den WM-Pokal gemeinsam mit Ex-ORF-Sportchef Hans Huber für eine kurze Ausstellung nach Wien zu holen, bat ihn ein älterer Herr am Flughafen um ein Autogramm. Zu gleicher Zeit stürmten zahlreiche Teenies kreischend auf zwei junge Mitreisende zu. Es handelte sich um zwei Blogger, die die Werbeabteilung des Getränkeherstellers ebenfalls zum Flug eingeladen hatte. Während der WM 2018 werden der ORF und dessen Chefanalytiker Prohaska im Gegensatz zum ÖFB-Team im Bilde sein.

Anders als in Österreich, wo Liga-Vorstand Christian Ebenbauer auf die Einführung des Video-Beweises ab 2020 hofft, wird auf das elektronische Hilfsmittel in Russland schon ab 14. Juni vertraut. Eine WM-Premiere, die keine Ende aller Streitereien garantiert. Zeigen doch die kuriosesten Beispiele in Deutschland Woche für Woche, dass selbst die besten Schiedsrichter trotz der x-ten Zeitlupenwiederholung nur selten einer Meinung sind. wolfgang.winheim

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