Liebe dich selbst, aber iss auch Gemüse

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Zwischen Erlösung und Euphoriebremse: Mit der Seele im Flugmodus beim internationalen Lebenscoaching-Kongress.
Klaus Eckel

Klaus Eckel

"Du bist nicht erschöpft – deine Seele ist nur im Flugmodus!“ Vor ein paar Wochen saß ich in einer deutschen Messehalle bei einem Kongress der internationalen Lebenscoaching-Szene. Sätze wie diese schleuderten selbst ernannte Erleuchtungsexperten von der Bühne. Das nach Erkenntnis lechzende Publikum vernaschte freudvoll diese Gedankenhäppchen. Ich lauschte mit offenem Mund, während neben mir unzählige veränderungsoffene, weisheitshungrige Menschen an den teilweise aufgespritzten Lippen der Bewusstseinsberaterinnen hingen. Die Inszenierung des Vortrags verlief nach Schema: Bühnennebel, Partymusik, kreisende Scheinwerfer – Erlöser.

Euphoriebremse 

Die Erzähldramaturgie: Die Vortragende war vor Jahren ganz unten (pleite, geschieden oder Zeckenbiss), hat es selbst nach oben geschafft (Start-up, Jakobsweg oder Zeckenzange), danach folgten die drei ultimativen Lehren aus dieser Lebenshochschaubahn. Eine davon: „Geld macht nicht glücklich!“ Gefolgt vom Schlusssatz: „Buchen Sie mein Seminar!“ (Weil Sie ihr Geld nicht glücklich macht, bin ich bereit, Ihr Unglück für Sie zu verwahren.) Einen Großteil des Publikums hielt es vor Begeisterung nicht auf den Stühlen. Ich war in der Halle der einzige Sesselpicker. Von etlichen Augen wurde ich als Euphoriebremse markiert, doch ich verharrte standhaft auf meinem Sessel. Mein Dank dafür geht an mehrere Gin Tonics.

Als Bühnenmensch versuche auch ich, das Publikum auf meine Seite zu ziehen, aber im Vergleich zu diesen Selbstfindungsgöttern bin ich ein Straßenkünstler am Ende einer Sackgasse. Neben Konfettiregen durfte ich dort noch folgende Gelehrtensprüche inhalieren: „Enttäuschungen sind Erwartungen in schlechter Verkleidung“, „Ziele, die nicht wehtun, sind Hobbys“ und „Dein inneres Kind will spielen und keine Steuererklärung machen“. Als Nebenerwerbsguru will ich ähnlich Kluges dazustellen: „Weisheit ist wie WLAN – man schätzt sie erst, wenn sie fehlt.“

Zum Autor: Klaus Eckel ist Kabarettist und Buchautor. Termine 2025 auf globe.wien

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