Trotz ist Pflicht

Ein Mann mit blonden Haaren und einem schwarzen Hemd blickt in die Kamera.
Im Namen der Unabhängigkeit: Ein Taxler ohne Gurt und wie Verbote unser Aufbegehren provozieren.
Klaus Eckel

Klaus Eckel

Als ich in einem Taxi saß, ertönte ununterbrochen ein „Piep, Piep, Piep“. Instinktiv griff ich zum Gurt, bis ich bemerkte, dass der Taxifahrer nicht angeschnallt war. Als ich ihn darauf ansprach meinte er nur: „Das ist Freiheit!“ Dieser Mann war stolz. Stolz darauf, sich nicht von einem Renault Mégane unterwerfen zu lassen. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie der Fahrer jeden Morgen vor der Motorhaube steht und seinem Auto erklärt: „Ich Chef! Du Sklave! Piep, Piep, Piep – mir egal.“ 

Gleichzeitig war ich erleichtert, dass der Taxifahrer die Ampel, den Zebrastreifen und die Stopp-Tafel nicht als Freiheitsberaubung identifizierte. Er hätte einen eigenen Beifahrer gebraucht, der im Namen der Unabhängigkeit den ganzen Tag Unfallberichte ausfüllt. In Österreich besteht der Straßenverkehr aus ungefähr 3.000 Regeln.

Es lebe der Protest

Wer also echte Freiheit genießen will, sollte sein Auto auf willhaben.at annoncieren. Aufgrund der StVO ist jedes Fahrzeug eine rollende Fußfessel. Doch Menschen begehren auf. Kaum durchbrechen Flugzeuge im Landeanflug die erste Wolkenschicht, wird angeblich auf 30 Prozent der Handys der Flugmodus deaktiviert, im Kunsthistorischen Museum zieren unzählige Fingerabdrücke das „Bitte nicht berühren“-Schild, und ein Bademeister berichtete mir, dass ein „Randsprünge verboten“-Schild verlässlich ein Arschbomben-Festival auslöst. 

Auf Facebook gibt es eine Community für „Zeitumstellungs-Verweigerer“. 9.812 Mitglieder, die überall entweder eine Stunde zu früh oder zu spät erscheinen, nur weil sie sich keinesfalls vom Sonnenlicht versklaven lassen möchten. Es gibt eben Menschen, die bereits im Kindergarten beschließen, die Trotzphase niemals zu verlassen. Doch die höchste Form des Protests richtet sich eindeutig gegen sich selbst. Diesen übe ich gerade: Gestern hatte ich Lust auf Schokolade und biss deswegen in eine Zitrone. Weil auch mein eigener Körper soll wissen: Ich lass mir von dir nichts mehr gefallen!

Zum Autor: Klaus Eckel ist Kabarettist und Buchautor. Termine 2025 auf globe.wien

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