Kruaaa

"ÜberLeben": Was ein Jahr Corona mit uns so gemacht hat.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Geht es Ihnen auch so? Wir befinden uns eindeutig in der dritten Phase. Die erste Phase war: Was, ein Virus? Mir doch wurscht. Die zweite Phase war: Was? Ein Virus! Die dritte Phase ist: Mir doch wurscht.

Am Anfang haben wir uns widerwillig den Schal ums Gesicht gewickelt und dabei ironisch mit den Augen gerollt, als wollten wir sagen: Nein, ich hab keine Angst, ich verkleide mich nur als Bankräuber.

Dann hatten wir alle bunte Masken mit lustigen Aufdrucken wie „Drunter schau ich echt gut aus“ oder „Bier formte diese wunderbare Nase“ oder „Ich bin so schlecht im Bett, das musst du sehen“.

Jetzt tragen wir alle Kaffeefilter im Gesicht und nennen sie „FFP2“.

Vor ein paar Monaten haben wir noch manchmal vergessen, die Maske aufzusetzen, und fühlten uns  dann, als würden wir splitternackt im Supermarkt stehen.

Jetzt vergesse ich manchmal, die Maske wieder abzunehmen. Ich gehe einkaufen, komme nach Hause, räume den Kühlschrank ein, mache mir Essen, setze mich an den Tisch – und wundere mich, dass ich den Löffel nicht in den Mund hineinkriege. Der Kaffeefilter ist zur zweiten Haut geworden, und manchmal sagt meine Freundin vor dem Spiegel merkwürdige Sachen wie „Oh, schon wieder ein Maskenpickel“.

Unlängst haben wir zu Hause, als Vorbereitung auf ein Familientreffen, einen Spucktest gemacht. Dabei muss man in ein Sackerl spucken, die Spucke mit einer Pipette in ein Röhrchen spritzen, dort mit einer Testflüssigkeit vermengen und dann Tropfen davon auf ein Plastikdings träufeln. Ich hätte mir früher niemals träumen lassen, dass ich einmal mitten im Wohnzimmer mit Körperflüssigkeiten herumspiele, und das mit heiligem Ernst und ohne sexuellen Bezug.

In der Testanleitung steht übrigens, man muss mit einem „Kruaaa“-Laut spucken, und dass das Wort „Kruaaa“ einmal zu meinem Wortschatz gehören würde, hab ich auch nicht geahnt.

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