Kicken im Dritten

Was man von langjährigen Bezirksvorstehern zum Thema Bürgernähe lernen kann. Und was nicht.
Barbara Beer

Barbara Beer

Wer in Döbling etwas brauchte, der musste nur den Adi Tiller anrufen. Der Tiller erklärte einem sogleich, was er, der Tiller, tun werde. Er sprach von sich in dritter Person. 2017 ist der unnachahmliche Döblinger Bezirksvorsteher nach 40 Dienstjahren zurückgetreten.

Seither ist Erich Hohenberger längstdienender Bezirkschef Wiens. Seit 30 Jahren amtiert er im Dritten. Heute wird er das mit Weggefährten im Amtshaus feiern. Denn nichts geht ihm über persönlichen Kontakt. Keine Hundertjährige ist vor seiner Umarmung sicher, kein Pensionistenheim bleibt unbesucht und ein Advent ohne Hohenberger-Auftritt mit Weihnachtsmütze ist möglich, aber sinnlos. Sein Verständnis, Politik „für die Leut’“ zu machen, geht über Parteigrenzen hinaus.

Vielleicht kein Zufall, dass ein letztlich vergeudetes politisches Talent wie Heinz-Christian Strache ebenfalls im Dritten erste politische Sporen verdiente. Vom jovial grinsenden Hohenberger konnten sich Genossen ebenso wie politische Mitbewerber abschauen, wie man auf Menschen zugeht. Und mitunter auch den einen oder anderen Fußballtrick lernen. Denn Hohenberger ist leidenschaftlicher Fußballer, mit ihm beim „FC Landstraße“ kickten Grüne und Schwarze ebenso wie der einstige FP-Chef.

Den Dritten hält Hohenberger für den „schönsten Bezirk Wiens“, der Wirtschaftsstandort geht ihm über alles. Im Bemühen, große Player an Land zu ziehen, blieb jedoch manches auf der Strecke. Dass die Landstraße drei Einkaufszentren braucht, erschließt sich nicht jedem und zu sagen, der Umbau von Wien-Mitte 2006 sei nicht friktionsfrei verlaufen, wäre eine Untertreibung. Ex-Bürgermeister Häupl nannte das Areal damals „Ratzenstadl“, jetzt steht an der Stelle eine gesichtslose „Mall“. Die dort einst beheimatete Markthalle fehlt nicht nur dem Dritten, sie wäre heute für ganz Wien bereichernd. Gerade angesichts dessen, dass der Rochusmarkt auch schon bessere Zeiten gesehen hat: Es ist schad’ drum. Ihre Erhaltung wäre ein aufg’legter Elfer an Bürgernähe gewesen.

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