Jubiläum für einen Unbeugsamen

Erik Schinegger gebührt Gratulation – nicht nur zum 70. Geburtstag.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Am morgigen 19. Juni wird Erik Schinegger 70. Übermorgen wird er in St. Veit (Kärnten) aus seinem Buch „Der Mann, der Weltmeisterin wurde“ vorlesen. Ein Titel, der undenkbar war zu Zeiten, als Schinegger Abfahrtsgold holte. Bei der ersten, bis heute einzigen Ski-WM auf der südlichen Halbkugel hatte Schinegger 1966 in Chile als einziges ÖSV-Mitglied einen ersten Platz erreicht.

Dem großen Empfang mit viel Trara und Versprechen (u.a. ein Grundstück, das er nie bekommen sollte) in Schineggers Kärntner Heimat folgte bald beharrliches Schweigen. Schinegger wurde abgeschirmt, untersucht und in einer Innsbrucker Klinik klammheimlich von Erika zum Erik gemacht. Der chirurgische Eingriff soll nicht dramatisch gewesen sein, zumal die männlichen Genitalien – nach innen gekehrt – vorhanden waren.

Erik drängte zurück ins Rampenlicht. Startete bei Radrennen, fuhr schicke Sportwagen. Stellte im starken ÖSV-Herrenteam beim Training seinen Mann. Doch genau das missfiel dem konservativen Skiverband.

Die Gesellschaft war für Transparenz noch nicht reif. Die Medien miteinbezogen. Der Autor gesteht kleinlaut, wie er als Reporterlehrbub aufatmete, weil ihm 1972 bei den Staatsmeisterschaften eine journalistische Pflichtübung erspart blieb. Zumal Schinegger in Hinterstoder, wo man ihn mit letzter Nummer auf eine Gruselpiste hetzte, knapp (hinter Franz Klammer) am Podest vorbeifuhr. Viele Leser hätten ein Schinegger-Interview als pietätlose Sensationshascherei empfunden.

Erik startete nicht mehr, doch resignierte nicht. Überließ die Goldene von 1966 der Französin Marielle Goitschel. Wurde Vater, später Großvater; leitete eine Skischule. Und genoss es, wenn im neuen Jahrtausend Filme über ihn gedreht wurden.

Schinegger gebührt Gratulation – nicht nur zum 70. Geburtstag. Sondern für seinen offenen Umgang mit dem Schicksal. Und für seine Selbstironie. So meinte er anlässlich der #metoo-Debatte auf die Frage, ob er als Erika einst auch zu den Betroffenen gezählt hatte: „Nein. Wahrscheinlich war i zu schiach dafür.“

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