Tag der Toleranz: „Stirb, du blöde Sau!“

Toleranz gab es einst, sie bedeutete nicht, dass man andere Einstellungen gut fand, sondern dass man gut nebeneinander anders sein konnte.
Birgit Braunrath

Birgit Braunrath

Wohin man schaut, liegen Nerven blank wie Schienen. Eine Frau, die in der bummvollen Straßenbahn ihre Sitznachbarin bittet, doch eine Maske aufzusetzen, bekommt als Antwort: „Stirb, du blöde Sau, mach’ ich sicher nicht.“

Heute ist der von der UNESCO ausgerufene „Internationale Tag der Toleranz“, sozusagen eine Artenschutzinitiative für einen aussterbenden Begriff. Toleranz, die gab es früher einmal, und sie bedeutete nicht, dass man andere Meinungen oder Lebensweisen gut fand, sondern dass man gut nebeneinander anders sein konnte, ohne den anderen zu verdammen.

Dann kam die Pandemie – und plötzlich ging es nicht mehr nur um leben und leben lassen, sondern auch um sterben und sterben lassen. Der Raum für Toleranz wurde enger. Dennoch ist sie als Forderung präsenter denn je, denn der Begriff Toleranz wurde gekapert und wird jetzt als Freibrief für das Recht auf Narrenfreiheit, Verantwortungslosigkeit und schlechtes Benehmen missbräuchlich verwendet. „Stirb, du blöde Sau!“ braucht keine Toleranz, sondern Nulltoleranz.

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