Ich mag mich nicht entscheiden

"ÜberLeben": Für Stones UND Beatles. Für Stadt UND Land. Für Ja, gegen Nein.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Unlängst hat mir jemand auf Facebook geschrieben, wie ich, ein bekennender Rolling-Stones-Fan, es wagen könne, als Lieblingsplatte ein Album der Beatles zu haben, nämlich „Abbey Road“. Für mich ist das aber ganz einfach: Ich mag die Beatles und die Rolling Stones gleich gerne. Genauer gesagt: Ich finde die Beatles ein bisschen besser, aber ich mag die Stones ein bisschen lieber. Nicht immer ist das Bessere auch das mehr Gute. Oder anders gesagt: Wenn etwas besser ist, ist es eben nicht mehr gut.

Ich habe die Idee nie verstanden, dass man sich entscheiden muss. Ich mag die Beatles UND die Stones. Ich mag Stadt und Land (Wien ist sogar beides gleichzeitig). Ich mag Rapid und Austria nicht, weil ich Admiraner bin, mein Therapeut meint, das liegt daran, dass ich nicht gerne unter größeren Menschenansammlungen bin.

Ich mag mich nicht entscheiden. Ich finde Kickl und Hofer großartig, und auch eine Darmspiegelung. Ich finde, es gibt ein Menschenrecht darauf, Gabalier und Helene Fischer nicht zu hören und trotzdem kein Freejazz-Fan zu sein. Wenn ich mich zwischen Pest und Cholera entscheiden muss, wähle ich Gesundheit, und wenn die zwar gut, aber aus ist, dann nehme ich den Männerschnupfen. Aus diesem Grund gehe ich jetzt laufen, und zwar im kurzen Leiberl, denn wer einen Schnupfen hat, bekommt nach dieser Logik weder Pest noch Cholera.

(Übrigens: Der Deutsche sagt ja zu gehen laufen und zu laufen rennen. Wenn er laufen geht, läuft er dann rennen?)

Viele Entscheidungen machen das Leben so schmal. Und dann gibt es plötzlich eine Entscheidung, die macht das Leben groß und weit. Ich entscheide mich daher für Ja und gegen Nein. Scharfen oder Süßen zum Leberkäse, sagte der Würschtlmann. Beides, sagte ich. Und Ketchup auch noch.


Guido Tartarotti liest heute, 9.11., Kolumnen und satirische Texte im Wilheringerhof, Klosterneuburg.

Am 13. 11. (Schwechat, Felmayer Scheune) und am 15. 11. (Kulisse Wien) tritt er gemeinsam mit seiner Kollegin und Ex-Frau Birgit Braunrath mit dem Programm "Glücklich geschieden" auf.

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