Grant und Gruft

"ÜberLeben": Der Wiener denkt den Tod immer mit und versucht ihn durch Grantigkeit (und Spritzwein) auf Distanz zu halten.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Der Kabarettist Fifi Pissecker merkte unlängst im KURIER-Interview an: Wien werde regelmäßig zu einer der lebenswertesten Städte auf der Welt gewählt – und gleichzeitig zu einer der unfreundlichsten. Pissecker nannte das einen „herrlichen Widerspruch“.

Ich glaube ja, das ist kein Widerspruch, sondern das eine bedingt das andere. Der Wiener findet das Leben deshalb lebenswert, weil er unfreundlich sein kann. Wobei „unfreundlich“ das falsche Wort ist: Der Wiener ist grantig, das ist seine Ausdrucksform für Weltschmerz, und wird nur vom Rest der Welt als Unfreundlichkeit missverstanden.  Grüßt man den Wiener freundlich und er antwortet mit „Gusch“, dann meint er das nicht böse, sondern es ist sein philosophischer Kommentar zur Endlichkeit des Lebens.

Denn der Wiener ist auch umgekehrt deshalb grantig, weil  er das Leben so lebenswert findet.  Der Wiener mag das Leben, und das Wissen, dass er eines Tages nicht mehr dabei sein wird, macht ihn melancholisch, und Melancholie drückt er mit „Gusch“ aus. Der Wiener denkt den Tod immer mit und versucht ihn durch Grantigkeit (und Spritzwein) auf Distanz zu halten.

Nicht ohne Grund gibt es in Wien ein Bestattungsmuseum, in dessen Shop man so wunderbare Dinge kaufen kann wie ein Zigarettenetui mit der Aufschrift „Rauchen sichert Arbeitsplätze“,  Friedhofshonig oder ein T-Shirt mit dem Slogan „We put the FUN in FUNERAL“. Das Allerschönste aber ist die „historische Leichentram“ von Lego, inklusive zwei Lego-Bestattern und zwei Lego-Särgen. Bei uns kann man mit dem Tod spielen, und wir wissen jetzt, dass er nicht umsonst ist, sondern exakt  Euro 112,90  kostet.

Und als vor zwei Jahren ein Meinungsforscher im Fernsehen sagte „Viele Wähler entscheiden sich erst in der Urne“, da wusste er gar nicht, wie recht er hatte.

 

Die KURIER-Kolumnisten Guido Tartarotti und Birgit Braunrath sind mit ihrem Kabarettprogramm „Glücklich geschieden“ am 14. September in der Kulisse Wien zu sehen.

Kommentare