Fabelhafte Welt: Zwangsneurotischer Serienmörder oder eisiges Bad?

Als beim morgendlichen Spaziergang neben dem Fluss feinsäuberlich zusammengelegtes Gewand auf einer Bank lag.
Vea Kaiser

Vea Kaiser

Neulich spazierten Signore Hündchen und ich frühmorgens an einem Fluss entlang. Der Hund beschnupperte die angezuckerte Böschung, ich hörte das Morgenjournal – bis wir Kleidung auf einer Rastbank entdeckten. Unterwäsche, Röcke, Wintermäntel, die frisch abgelegt und keineswegs so aussahen, als gammelten sie seit Längerem im Freien. Jössas, dachte ich, und rechnete bereits mit Schrecklichem, bis ich sah, dass die Kleider sogar gefaltet waren. Woraufhin ich befürchtete, ein zwangsneurotischer Serienmörder sei hier am Werk, der als Markenzeichen das feinsäuberlich zusammengelegte Gewand seiner Opfer am Tatort hinterlässt.

Schrei

Zur Erklärung: 2020 lenkte ich mich von den Schrecken der Pandemie ab, indem ich mir Dokumentationen über die Schrecken von Serienmördern anschaute. Plötzlich hörte ich den ersten Schrei. Dann den zweiten, dann den dritten. Das Handy gezückt und bereit, den Notruf zu alarmieren, folgte ich dem Hund, der natürlich die Böschung hinunter raste, weil der kleine bepelzte Wahnsinnige Serienmörder-Dokus für gewöhnlich verschläft. Er hält die Menschheit für ausnahmslos lieb und hoffte wahrscheinlich, bei dem Schreispiel mitmachen zu dürfen.

Unten angekommen bot sich mir ein Bild dar, das mich erschaudern ließ. Allerdings vor Kälte: Zwei Männer und drei Frauen im Alter meiner Eltern schienen die minus zwei Grad und den leichten Schneefall als ideales Badewetter zu erachten und haxelten eifrig im tiefen Wasser nebst der Wehr. Für dieses Badevergnügen hatten sie sogar das dünne Eis am Ufer durchbrochen. Als sie mich sahen, winkten sie, planschten noch ein paar Sekunden, ehe sie wie von der Hummel gestochene Nilpferde an Land eilten.

Der Hund überlegte kurz, ob er zu ihnen ins Wasser springen sollte, ließ es dann jedoch bleiben. Er ist also doch nicht völlig wahnsinnig, mein kleiner Pelzfreund.

vea.kaiser@kurier.at

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