Vea Kaiser

Veas Kolumne: Der Geschmack des Sommers

Im Sommer wird der Geschmack exzentrisch: Von freizügiger Mode bis zu Wassermelone mit Feta – nicht alles, was offen ist, ist auch gut.

Sommer verändert den Geschmack. Manche Menschen verbrachten drei Jahreszeiten in mausgrauer Tarnkleidung, ehe sie in der vierten aussehen, als sei der Wasserfarbenmalkasten ihr Lieblingsspielzeug. Leidenschaftliche Kuchen-Vernichter nehmen wochenlang nur noch Hasenfutter zu sich. Und wem winters ein Sommerhit aus den Boxen klang, der weiß, wie unerträglich so manche Melodei bei Minusgraden war, die nun die Laune in höchste Sphären katapultiert.

Insgesamt habe ich beobachtet, dass der Sommer-Geschmack wagemutiger und exzentrischer ist. Offenheit ist meist etwas Gutes, hat jedoch auch Begleiterscheinungen, die nicht jedem Geschmack entsprechen. Beispielsweise löst die zurzeit moderne (wortwörtlich „offene“) Bademode das Rätsel, was das gemeine Popo-Wimmerl im Sommer so treibt. Unverzeihlich hingegen ist, was aktuelle Koch-Trends mit der armen Wassermelone aufführen. 

Vielleicht leide ich an Geschmacksverwirrung, aber so sehr ich die nackte Wassermelone in ihrer unberührten Form schätze, so ungenießbar finde ich, wenn sie am Boden einer Tupperware-Schüssel in einem Essig-Feta-Basilikum-Dressing schwimmend versucht, den durchweichten Brot-Croûton als Rettungsring zu missbrauchen. Mein größtes sommerliches Kulinarik-Problem ist die Offenheit der Teller, wenn Saucen verschwimmen oder – die Götter bewahren – das Ketchup die Mayonnaise berührt. 

Meine Kinder dürften diese Vorliebe für puristische Trennung verschiedener Essensbestandteile ererbt haben, denn am liebsten würden sie zurzeit ALLE Mahlzeiten aus in Fächer unterteilten Jausenboxen genießen. 

Noch habe ich nicht herausgefunden, was sie daran reizvoll finden: Die Überraschung, ihr Essen einem Geschenk gleich auszupacken? Die Assoziation mit Ausflügen, die jede Jausenbox umgibt? Oder es gilt schon für die Kleinsten: der Sommer-Geschmack ist eben speziell.


vea.kaiser@kurier.at

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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