Vea Kaiser

Veas Kolumne: Das verflixte siebte Jahr

Kein Dinner bei Kerzenschein, dafür Windeln, Baustelle und Prüfungsstress - wie echte Romantik im verflixten siebten Ehejahr trotzdem Platz findet.

Um Mitternacht wird mein geliebter Dottore Amore einen Jubelschrei in den Himmel jagen, eine Flasche Champagner öffnen und mir ein leidenschaftliches Bussi aufdrücken – denn dann werden wir sieben Jahre verheiratet sein. 

Mein Ehemann, der zwar als Arzt eine solide naturwissenschaftliche Ausbildung hat, aber aufgrund seiner süditalienischen Wurzeln vor keinem Aberglauben gefeit ist, wird aufatmen: Wir werden das verflixte siebte Jahr hinter uns gebracht haben. 

Er hatte das Jahr hindurch große Angst, dass unserer Ehe etwas Unbewältigbares zustoßen könnte, ich hingegen war tiefenentspannt. Immerhin hatten wir schon das sechste Ehejahr überstanden, in dem alles kulminiert war: Wir hatten zwei Windelkinder, eine Großbaustelle, ich musste meinen Roman abgeben und mein Mann hatte beschlossen, eine sehr schwere, internationale Prüfung für Urologie abzulegen. Damals dachte ich: Das stehen wir nicht durch, denn wer so viel zu tun hat, verliert einander aus den Augen. Doch es kam anders. 

Tagsüber teilten wir uns die Kinderbetreuung auf und abends trafen wir uns am Schreibtisch. Ich schrieb, er studierte Forschungsaufsätze. Wir gingen in dem Jahr nicht ein einziges Mal zu zweit essen, aber wir teilten die guten Klarsichtfolien miteinander. Ich hatte immer gedacht, das Wichtigste in einer guten erwachsenen Beziehung sei, „Quality Time“ miteinander zu haben. Aber in diesem Jahr lernte ich, dass Romantik viele Gesichter hat, und dass sie meist dann aufkommt, wenn zwei miteinander in die gleiche Richtung schreiten. 

Romantik ist nicht nur das schicke Dinner im dezent beleuchteten Restaurant, sondern auch, dem anderen um kurz vor Mitternacht die Tintenpatronen zu wechseln, während sich unter der Schreibtischplatte die Füße berühren und die Zehen einander zuflüstern: Ja, es ist grad etwas mühsam, aber wir stehen das zusammen durch.

vea.kaiser@kurier.at 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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