Erpresserbriefe

Wir übertreiben heute wieder, aber nur ein bisserl
Barbara Beer

Barbara Beer

Immer wieder müssen Großmütter und ihre Weisheiten für Kolumnen herhalten. Es hat sie keiner gefragt und manchmal muss man sie ja auch gar nicht mehr fragen, was diesfalls recht praktisch ist. Denn vielleicht hätte die Oma ja bestritten, jemals solch banale Lebensweisheiten von sich gegeben zu haben. Und so behaupte ich nun einfach, dass meine Großmutter gern Folgendes sagte: „Wer weiß, wofür’s gut ist?“

Wofür also ist’s gut, dass es dauernd kalt und nass ist?

Die ewigen Nörgler im Redaktionskomitee der Wiener Ansichten raunzen angesichts der unerquicklichen Wetterlage. Anders die Sanguiniker unter uns. Sie können auch der verdrießlichsten Witterung etwas abgewinnen. Einerseits sprießen Löwenzahn und Gänseblümchen heuer besonders gut, die Wiesen sind saftig, die gierigen Hortensien müssen nicht zusätzlich gegossen werden. (Ja eh, sagen die Grantler, dem Unkraut geht’s auch gut.)

Andererseits und vor allem: Endlich dürfen Übergangsjacken ihren Dienst versehen.

Oft war es ja so: Kaum war die Eiszeit vorbei, hatte es schon 30 Grad. Man schlüpfte aus dem Wintermantel direkt in den Bikini. Jetzt: ewiges Trenchcoat-Wetter. Wien trägt Burberry und nobel blassen Teint. Das macht unsere Straßen eleganter. Ein Hauch von London weht durch die Stadt. Floridsdorf gleicht Kensington, Hernals Covent Garden, die Landstraße erinnert an Notting Hill.

Okay, das war jetzt übertrieben, aber nicht sehr.

Gar nicht übertrieben war unsere vorwöchige Ode an die Papierzeitung. Das fand auch Leser Wolf K. und zählte neben Haptik und Geruch folgende Vorteile von Print gegenüber Online auf: Man könne eine gedruckte Zeitung nicht nur lesen, sondern damit auch nasse Schuhe ausstopfen und ein Kachelofenfeuer entzünden. Gerade jetzt sehr praktisch. Außerdem Papiermaschee-Basteleien anfertigen sowie Leberkäse einwickeln. Vor allem aber: Buchstaben für Erpresserbriefe ausschneiden. Bedenken Sie das, bevor Sie Ihr nächstes Online-only-Abo abschließen.

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