Ein Wettbewerb im Beleidigtsein

Liebes Kulturamt!
Als ich zuletzt ein Wiener Theater besuchte, sah ich in der Pause den Direktor des Hauses, der dreinschaute wie sieben Tage Regenwetter und keinen Blick für seine Besucher übrig hatte. Ich frage nun Sie: Tragen Sie vielleicht schuld an seiner üblen Laune? Traktieren Sie ihn zu sehr? Hat ihn eine Schauspielerin in den Po gebissen? Ich möchte einen Antrag einbringen: auf zwingendes Lächeln der Intendanten dem Publikum gegenüber – sonstfalls Streichung der Subventionen. Mit freundlichen Grüßen, M. M.
Sehr geehrter M. M.!
Wir bestätigen hiermit den Erhalt Ihres Schreibens und das Einlangen Ihres Antrages mit der Geschäftszahl 01/2025. Sie waren nicht der Einzige, der sich nach Öffnung dieses Kulturamtes an uns gewandt hat – offensichtlich gibt es ein Bedürfnis, Freude und Empörung über das Kulturleben in diesem Land zu teilen. Und ebenso offensichtlich werden Ihre Anliegen von den Kulturinstitutionen kaum gehört.
Sie kritisieren in ihrem Schreiben die üble Laune eines Theaterdirektors – und das ist nicht nur eine wichtige Beobachtung, sondern auch ihr gutes Recht. Ein Theaterdirektor hat für sein Publikum zu agieren und Produktionen in bestmöglicher Qualität auf seine Bühne zu bringen. Dazu gehört auch die Vermittlung des Gebotenen, umso mehr, je schwieriger zugänglich es ist. Allerdings beobachten auch wir im Kulturamt seit geraumer Zeit, dass viele große Theaterdirektorinnen und -Direktoren zwar bei ihrer blendenden Bewerbung stets über Öffnung der Häuser und neue Publikumsschichten sprechen, in ihrer Arbeit dann aber rasch Grenzen ziehen und sich wenig um die Nähe zum Publikum kümmern.
Genialität
Um nicht missverstanden zu werden: Wir plädieren hier nicht für eine populistische Programmierung, sondern für Zuneigung zu den Besucherinnen und Besuchern und keine Verachtung für all jene, die die Genialität der Intendanz nicht verstehen. Wahrscheinlich ist dem von Ihnen erwähnten Direktor gerade irgendwas oder irgendwer über die Leber gelaufen, vielleicht hat er sich von einem Theaterkritiker nicht ausreichend gewürdigt empfunden, oder der Applaus vor der Pause war nicht euphorisch genug.
Sie treffen jedenfalls mit Ihrer Schilderung einen zentralen Punkt: Dass im Kulturleben ein Wettbewerb im Beleidigtsein eingesetzt hat; dass die schlechte Laune in der Intendanz mancherorts über die gesamte Institution gestülpt wird; dass für einen Dummkopf gehalten wird, wer die selbstherrlich hinausposaunte programmatische Linie nicht unhinterfragt abnickt. Willkommen ist nur, wer derselben Meinung ist.
Gerade wir vom Kulturamt wünschen den kommende Woche beginnenden Wiener Festwochen Erfolg und dass aus Provokation endlich wieder darüber hinausreichendes Programm wird. Und wir sehen der künftigen Intendanz des Wiener Volkstheaters, die am Montag den ersten Spielplan präsentiert, erwartungsvoll entgegen. In unserem Verständnis sind Theater nämlich nach wie vor dazu da, mit Publikum statt mit Behauptungen der eigenen Wichtigkeit gefüllt zu werden.
Dennoch sehen es die Statuten nicht vor, dass Subventionen an Launen geknüpft werden dürfen, weshalb es für Ihren Antrag leider heißt: abgelehnt! Und wir bedauern es, falls Sie sich nun selbst in den Hintern beißen müssen.
Mit lächelnden Grüßen,
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