Ein teures Bild, ein Glas Wein, und das, was passieren muss

"ÜberLeben": Als ich versehentlich das Œvre einer hoffnungsvollen Künstlerin Richtung Schüttbild erweitert.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Kürzlich lud mich eine befreundete bildende Künstlerin, die, jede Wette, demnächst sehr bekannt sein wird, in ihr Atelier ein. Ich betrat die Räume einigermaßen ehrfurchtsvoll. Meine Beziehung zu bildender Kunst beruht im Wesentlichen darauf, dass ich in der fünften Klasse Gymnasium einmal ein Nicht genügend in Bildnerischer Erziehung bekam, und zwar nicht deshalb, weil ich faul, sondern tatsächlich so schlecht war.

In der sechsten bekam ich dann einen neuen Zeichnen-Lehrer, der sich vornahm, aus mir  einen Künstler zu machen. Meine erste Aufgabe war es, den Hinterkopf eines Mitschülers zu zeichnen.  Als der Lehrer meine fertige Arbeit sah, begann er zu brüllen, dass er sich selber verarschen könne, falls er denn das Bedürfnis dazu verspüre. Ich konnte es ihm nicht verdenken: Mein Bild sah aus wie ein Kürbis, aus dem Schnittlauch wuchs. So sah ich mit meinen schwachen Augen eben den Mitschülerhinterkopf, und so pfuschten meine patscherten Hände das Gesehene aufs Blatt. Der Lehrer beruhigte sich rasch wieder, erfand daraufhin ein Klassenprojekt, bei dem es darum ging, aus einer Papier-Klebstoff-Masse Skulpturen zu formen, und den Rest des Jahres durfte ich an der Mischmaschine verbringen und Papier mit Klebstoff vermengen. Dafür gab es am Ende einen Dreier, was ich fair fand, denn meine Papiermasse klebte vorzüglich


Im Atelier der Künstlerin hingen und lagen überall fertige und halbfertige Bilder (Übergang fließend) in der Gegend herum, die Kunst war großartig und ich angemessen beeindruckt. Die Künstlerin, die gerade auf dem Fußboden an einem Großformat arbeitete, gab mir ein Glas Wein und lud mich ein, mich zu ihr zu setzen und ihr bei der Arbeit zuzusehen. Und dann nahm das Schicksal die Zutaten „Rotweinglas“, „wertvolle Bilder“ „ungeschickte Guido-Hände“ und „Murphys Gesetz“ zur Hand, und wenige Sekunden später  hatte die Künstlerin ihr Œvre unfreiwillig Richtung Schüttbild erweitert.

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