Ein Platz an der Sonne
Der Neue Markt ist derzeit eine Herausforderung. Das war er allerdings auch, bevor er zur Komplett-Baustelle wurde. Da war er nämlich ein Parkplatz – rund um den schönsten Brunnen Wiens.
Nach dem Umbau soll aus dieser Herausforderung ein Platz werden, laut Rathaus so schön wie die römische Piazza Navona. Wir freuen uns drauf, geben aber zu bedenken, dass Wien keine Übung mit Plätzen hat. Was sich bei uns alles Platz nennen darf...
... etwa der Karlsplatz: kein Platz, sondern eine Gegend, wie schon Otto Wagner wissen ließ;
... der Schwarzenbergplatz: eine Flugzeuglandebahn;
... das Hietzinger Platzl: eine Bimhaltestelle mit Baum;
... der Franz-Jonas-Platz: eine überdimensionale Bus- und Bahnstation mit angekündigtem Alkoholverbot (bisher herrschte dort eher Alkoholgebot);
... der Matzleinsdorferplatz: Verkehrshölle am Rande eines Friedhofs (auf dem immerhin Wiens berühmtester Stadtstreicher, der Baron Karl beerdigt ist), gut im Rennen als Wiens hässlichster Platz, nicht zuletzt wegen seiner entrischen Unterwelt;
... der Stephansplatz: möglicherweise ein Platz, man sieht ihn vor lauter Mozartperücken in zerschlissenen Brokatfräcken allerdings nicht. In den finsteren Zeiten vor der Mobiltelefonie ein beliebter Treffpunkt (ja, Treffen funktionierten einst auch ohne Anrufe oder SMS wie Bin gleich da!, Wo bist? Ich steh gegenüber!).
Nicht in der Wertung: der Franziskanerplatz: eindeutig Wiens schönster Platz, soweit keine Beschwerden.
Warum Wien keine Platztradition hat? Einerseits liegt’s wohl am Klima, andererseits könnte es an der notorischen Autobegeisterung der Wiener liegen. Wo ein Platz, da muss ein Park- davor.
Auch der Neue Markt wird künftig Parkplätze beherbergen. Unterirdisch. Kosten? Vorsichtige Prognose: Ebenfalls unterirdisch. Ein Vormittag so teuer wie ein Neuwagen. Darüber hinaus wünschen wir uns sehr, dass es hier so schön wie auf der Piazza Navona wird. Den passenden Brunnen hätten wir, die Touristen ebenfalls und dank Klimawandel bald auch das Wetter.
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