Der Minister und seine Eierspeis’

Über Lokale, nach denen mehr oder weniger Nostalgie angebracht ist
Barbara Beer

Barbara Beer

Neulich hat das Sopherl am Naschmarkt zugesperrt, was durchaus kein großer Verlust ist. Und ja, es gäbe noch den einen oder anderen Wirt in der Gegend, dessen endgültige Sperrstund’ die hohe Wiener Lebensqualität nur unerheblich beeinträchtigen würde.

Nun besuchte das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten dieser Tage das Café Drechsler unweit des ehemaligen Sopherl, und dabei erwachte die Erinnerung an einen tatsächlichen Verlust: An das dort einst untergebrachte Lokal, das niemals schlief und dessen Betreiber, den Herrn Drechsler, der die Standler vom Naschmarkt schon im Morgengrauen mit Kaffee zu versorgen pflegte. Das heutige Drechsler hat mit dem alten nur noch den Namen gemeinsam, aber das ist ja auch nicht nichts.

Beim nun schon einige Zeit zurückliegenden letzten Besuch im Drechsler saß am Nebentisch ein sympathischer Minister mit Gattin. Es war kurz nach sieben Uhr früh, die beiden aßen Eierspeis’ aus unglaublich vielen Eiern. In der einen Hand die Gabel, in der anderen die (angezündete) Zigarette. Sie sahen aus, als kämen sie vom Tanzen. Eine übernächtige, stille Fröhlichkeit lag auf ihnen, vielleicht angesichts erst kürzlich vergangener Vergnügen. Keinesfalls soll an dieser Stelle dem nun unerwünschten Zigarettenkonsum das Wort gesprochen werden. Doch dieser Anblick, er hatte was.

Themenwechsel. Die Autorin Renate Welsh hat sich nicht zuletzt mit ihren Kinderbüchern in unsere Herzen geschrieben. Nun ist ihr ein wunderbares Kurzgeschichtenbuch über das Aufwachsen in Ober St. Veit gelungen. Es heißt Kieselsteine und ist in vieler Hinsicht großartig, nicht zuletzt wegen der Frau Suchadownik, einer von der Protagonistin sehr geschätzten Hausmeisterin.

Die Suchadownik muss eine kluge Frau gewesen sein, denn sie gab dem Kind folgende Kostbarkeit von einem Satz mit: „Du bist zwar ein g’scheites Mädel, aber es gibt keinen Deppen auf der Welt, von dem du nicht noch was lernen könntest.“ Man sollte sich das hinter die Ohren schreiben.

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