Der Kerl ist vermutlich ein Genie

"ÜberLeben": Würdelos ins Glück - oder mit Haltung ins Klo greifen?
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Stellen Sie sich einen Mann vor. Zu alt, um die Lüge „Schaut jünger aus als er ist“ zuzulassen. Zu jung, um unter die „Für sein Alter eigentlich eh recht fesch“-Kulanzregelung zu fallen. Alle sagen Sie zu ihm, vor allem die, mit denen er gerne per Du wäre. Gleichzeitig steht niemand in der Straßenbahn auf, wenn ihm die Füße wehtun. Doppelt gefangen: Kein Kinderschnitzel, kein Seniorenteller.
Körperformmäßig wie modisch könnte er als HC-Strache-Double für „Ibiza, der Film, Teil 2“ arbeiten. Beruflich ist er konsequent erfolglos, das bisschen Geld, das er hat, nimmt ihm seine Exfrau wieder ab.

Können Sie ihn sich vorstellen? Dann haben Sie meinen Freund M. vor Augen. Nein, eines fehlt noch: das Grinsen im runden Gesicht. Mein Freund M. ist nämlich gnadenlos glücklich. Wenn Sie mich fragen: Der Kerl ist vermutlich ein Genie.

Unlängst haben wir Tennis gespielt. M. sprang, hopste, tanzte über den Platz wie ein verhaltensoriginelles Wombat auf Klebstoff-Wodka-Überdosis – und traf dabei jeden Ball. Und obwohl ich Tennis ganz gut beherrsche, hatte ich gegen den wombatförmigen M. in seinen viel zu engen gelben Sporthosen keine Chance.

Genauso funktioniert M.’s Leben: Würdelos ins Glück. (Und ich fürchte, so funktioniert meines: Mit Haltung ins Klo greifen.)

Während ich in den vergangenen Monaten Trennungen sammelte wie mein Großvater einst Briefmarken – akribisch, humorlos und ein bisschen unsinnig – kann sich M. vor der Damenwelt kaum retten. Zwar hat M. eine Neigung zu busenoptimierten Leider-nein-Stringtanga-Fotomodels mit Oststaaten-Hintergrund, die Shakespeare für ein Getränk halten, aber dazu steht er. Am Kuriosesten: Die Damen bleiben auch, nachdem sie draufgekommen sind, dass M. kein Geld hat. „Er chist chalt sooo süß“, hauchte unlängst eine, ich glaube, sie war aus der Ukraine, und kraulte seinen Bauch.

Der Kerl ist vermutlich ein Genie, sagte ich das schon?

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