Das Alleinsein üben

"ÜberLeben": Jemand ist dabei, und man merkt es zuerst gar nicht.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich bin nach Rom gefahren, um das Alleinsein wieder zu üben. Um mich zu finden. Um wieder bei mir anzukommen.

Als ich diese Gedanken denke, muss ich lachen. Denn sie könnten von B. sein. B., meine von mir überaus geschätzte Exfrau, sagt gerne Dinge, die aus der Achtsamkeitsfertigteilsprachenabteilung eines Reformhauses stammen könnten: „Komm erst einmal bei dir selbst an“ – „Spüre in dich hinein“  – „Du musst in den Schuhen des anderen gehen, um ihn zu verstehen“. Und jetzt sitze ich in meiner Lieblingsstadt und finde all diese Sätze gar nicht einmal so blöd wie sonst. (Das mit den Schuhen des anderen lasse ich aus, nicht nur hygienebedingt. Ich muss erst wieder  lernen, in meinen eigenen Schuhen zu gehen.)

Demnächst ist mein erstes Jahr mit einem Fünfer vorne vorbei. Es war ein aufregendes, turbulentes, teilweise sehr ungemütliches Jahr, voll von spannenden Begegnungen, manche bereichernd, manche  das Gegenteil, manche beides zugleich.  Alleinsein fühlt sich nicht schlecht an, denke ich in Rom, während ich die Sonne im Gesicht spüre.

Der Spaß dabei: Ich bin in Rom gar nicht allein, ich weiß es nur noch nicht. Am Tag vor meinem Abflug habe ich einer alten Bekannten, M.,  eine völlig harmlose Nachricht geschickt, nicht mehr als ein netter Gruß, absichtslos, einfach so. Daraus entsteht ein Gespräch, in Form von Kurznachrichten, die immer länger werden. Ich bemerke gar nicht, wie sehr ich mich in Rom auf den Abend freue, wenn ich wieder ins Hotel-WLAN kann, um  das Gespräch fortzusetzen.

Zeitsprung. Einige Wochen nach meiner Rückkehr sage ich zu M.: Schade, dass du in Rom nicht mit warst. Aber ich war doch eh mit, sagt sie.

Ich lese noch einmal die Geburtstagsgrüße vom vorigen Jahr. „Ich wünsch dir soviel Gutes, wie du verkraften kannst. Und dass du das Gute auch erkennst, wenn es da ist“, hatte B. geschrieben.

Ich glaube, das ist der Trick.

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