Was wir gerne geben: Warum Trinkgeld mehr als Geld ist
Freiwillige Spende. Unser Verhältnis zu Geld ist nicht immer ganz leicht zu verstehen. Einerseits sind Kleinkapitalisten wie wir peinlich darauf bedacht, zu „sparen“. Wir jagen Schnäppchen, im Supermarkt kleben wir Prozentsticker auf unsere Lieblingsprodukte, Kleidung erwerben wir fast ausschließlich im Ausverkauf.
Im Kaffeehaus hingegen zeigen wir ein anderes Gesicht und geben mehr oder weniger üppiges Trinkgeld. Das Schöne am Trinkgeld ist, dass wir es freiwillig zahlen, und zwar nicht einmal ungern. Von welcher Ausgabe lässt sich das sonst noch sagen?
Anders als in den USA, wo ein relativ großzügig bemessener „Tip“ (mindestens 15 Prozent) de facto vorausgesetzt wird, ist die Höhe des Trinkgelds bei uns nicht genau festgelegt, liegt sie mehr oder weniger in unserem Ermessen. Das ist sympathisch, macht die Sache aber auch kompliziert. Immer wieder kriegen Gäste im Café Kralicek beim Zahlen sichtlich Stress, weil sie weder zu viel noch zu wenig geben wollen.
Wie viel? Üblich sind bei uns zehn Prozent – ein Wert, der sich auch ohne mathematisches Talent relativ einfach ermitteln lässt: Man teilt die Summe einfach durch zehn. Okay, wenn dann noch eine halbwegs runde Summe rauskommen soll – Centbeträge wirken im Kaffeehaus irgendwie kleinlich –, kann es tatsächlich ein bisschen kompliziert werden. Daher der Stress.
In solchen Situationen hilft es, sich die goldene Regel in Erinnerung zu rufen: Das Trinkgeld kann gar nicht zu hoch sein. Das bedeutet: Wer sich nicht sicher ist, rundet im Zweifelsfall auf. Und sollte es tatsächlich einmal zu viel Trinkgeld sein, geht es immer noch um Beträge, die nicht der Rede wert sind.
Noble Geste. Für den Gast ist das Trinkgeld mehr Geste als Ausgabe. Das ist das Noble daran. Dass die Kellner am Abend trotzdem einen Batzen Schwarzgeld in der Börse haben, ist aber auch ein feiner Zug.
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