Ein Kaffeehaus ohne Zeitungen ist kein Kaffeehaus
Welttag der Buttersemmel. Am Sonntag geht in den Wiener Kaffeehäusern die „Woche des Zeitunglesens“ zu Ende. Die vom Verband Österreichischer Zeitungen und dem Klub der Wiener Kaffeehäuser ins Leben gerufene Initiative ist an sich natürlich begrüßenswert. Im Café Kralicek wird sie trotzdem milde belächelt. „Wann kommt die Woche des Kaffeetrinkens und der Monat des Schnittlauchbrots?“ ätzt ein Stammgast. „Ich fordere den Welttag der Buttersemmel!“ ein anderer.
Im Zeitungsständer. Im Café Kralicek liegen stets folgende Printprodukte auf:
Sämtliche österreichischen Tageszeitungen – nur Österreich nicht, weil der Chef findet, dass alles seine Grenzen hat.
Die wichtigsten internationalen Blätter: Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche, die Neue Zürcher, die New York Times, der Guardian, Le Monde und El País.
Ausgewählte Wochenzeitungen und Magazine: Profil und Trend, Spiegel und Zeit, Falter und Furche. Der Augustin findet sich deshalb nicht im Zeitungsständer, damit die Gäste sich selber einen kaufen.
Rechte und Pflichten. Wer ein Kaffeehaus besucht, hat das Recht auf unbegrenzte Lektüre. Solange jemand in einer Zeitung liest, ist diese für die anderen Gäste tabu. Das gilt aber ausdrücklich nicht für Zeitungen, die „auf Vorrat“ an den Tisch genommen wurden. Es gibt Gäste, die den halben Zeitungsständer mitnehmen, damit sie nicht so oft gehen müssen. Das ist verständlich, aber rücksichtslos. Wie kommen die anderen Gäste dazu, dass sie im ganzen Café nach einer Zeitung suchen müssen? Noch problematischer als die Hamsterer sind die Ausschlachter: jene Gäste, die aus einer Zeitung Seiten rausreißen oder ganze Bücher entfernen.
Der Chef sieht das gar nicht gern. Und was hält er von der Woche des Zeitunglesens? „In einem Wiener Kaffeehaus gibt es 52 Wochen des Zeitunglesens“, hält er fest. „Sonst ist es kein Wiener Kaffeehaus.“
Kommentare