Die Kaffeehausaufsuchkrankheit ist unheilbar
Im Zusammenhang mit der Krise des Café Bräunerhof war im Café Kralicek unlängst von Thomas Bernhard die Rede, weil der Schriftsteller oft im Bräunerhof war. Gestern unterhielt Stammgast Franz die anderen Gäste mit einer kleinen Lesung aus "Wittgensteins Neffe". In der autobiografischen Erzählung, mit der Bernhard seinem Freund Paul Wittgenstein ein Denkmal setzte, findet sich der schöne Begriff Kaffeehausaufsuchkrankheit. „Im Bräunerhof reden mir die Leute zu laut oder zu leise, lüften mir die Kellner zu oft oder zu wenig“, schreibt er. Und überhaupt: „Das typische Wiener Kaffeehaus, das in der ganzen Welt berühmt ist, habe ich immer gehasst.“
Weil ihm die sogenannten Literatenkaffeehäuser besonders zuwider waren, schreibt Bernhard weiter, sei er irgendwann nur noch ins Sacher oder ins Ambassador gegangen, Hotelcafés also, in die sich nur Touristen verirren. Begründung: "Ich ertrage mich selbst nicht, geschweige denn eine ganze Horde von meinesgleichen."
Übertrieben, daher lustig
Die Lesung kam gut an und wurde ausführlich diskutiert. "Lustig, aber total übertrieben", fand Stammgast Klaus. "Genau deswegen ist es ja so lustig!", entgegnete Sabine. "Nicht ohne Grund nannte man Bernhard einen Übertreibungskünstler", dozierte Franz, der vor langer Zeit zwei oder drei Semester Germanistik studiert hat. Einig sind sich alle darin, dass es zwar mühsam sein kann, immer dieselben Leute zu sehen, aber schon auch schön. Und dass die Kaffeehausaufsuchkrankheit unheilbar ist. Beim Übertreibungskünstler Bernhard hört sich das so an: "Es hat sich herausgestellt, dass diese Kaffeehausaufsuchkrankheit die unheilbarste aller meiner Krankheiten ist."
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