Der Ja-sag-Tag ist nichts für große Kinder

Wenn man sich selbst einmal alles gönnt, was man will, geht das nicht gut aus.
Wolfgang Kralicek

Wolfgang Kralicek

Es begann damit, dass Stammgast Florian eines Tages von einem pädagogischen Experiment mit seinem fünfjährigen Sohn Max erzählte. Er hatte gelesen, dass es für die Entwicklung von Kleinkindern gut sei, hin und wieder einen "Ja-sag-Tag" einzulegen. Wünsche werden an diesem Tag grundsätzlich erfüllt – solange sie nicht lebensgefährlich sind oder den finanziellen Rahmen sprengen.

"Es war ein lustiger Tag", erzählte Florian. "Max wollte nicht in den Kindergarten, also sind wir in den Wurstelprater gefahren. Am Abend hatte er dann ein bissl Bauchweh wegen der vielen Süßigkeiten, war aber gut drauf. Natürlich durfte er auch selbst entscheiden, wann er ins Bett geht. Ich bin vor ihm eingeschlafen."

Ein ganzer Tag im Café

Ein paar Tage später sitzt Stammgast Karl spätabends sichtlich gezeichnet auf seinem Lieblingsplatz. Was denn los sei, will der Chef wissen. "Ich hab’ heute selbst einen Ja-sag-Tag eingelegt", erzählt Karl zerknirscht. "Ich wusste gar nicht, dass du Kinder hast." – "Eh nicht, ich hab’ das Konzept adaptiert und mir selbst alles gegönnt, worauf ich Lust habe. Erst hat es eine Ewigkeit gebraucht, bis ich aus dem Bett gekommen bin. Dann bin ich gleich ins Café gegangen, und wie du siehst, bin ich immer noch da. Und natürlich hab ich viel zu viel gegessen und getrunken. Kann ich noch einen Schnaps?"

Der Chef ignoriert das und fragt Florian, ob sein Vater jemals einen Ja-sag-Tag mit ihm gemacht hat. Karl verneint. "Das erklärt alles! Du wolltest etwas nachholen, aber das funktioniert nicht: Ein Ja-sag-Tag ist nur einer, wenn man nicht selbst dafür verantwortlich ist." Er spendiert Karl einen Espresso und ruft ihm dann ein Taxi.

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