Warum Ex-Raucher im Frühling melancholisch werden
Café ohne Zigaretten. Du kriegst den Raucher aus dem Kaffeehaus, aber das Kaffeehaus nicht aus dem Raucher. Es gehört zu den erstaunlichsten soziopolitischen Phänomenen der vergangenen Jahre, wie schnell und letztlich einfach es gelungen ist, das Rauchverbot in Lokalen durchzusetzen. Demos oder Ausschreitungen blieben aus, nicht einmal ein Volksbegehren wurde eingeleitet. Wahrscheinlich, weil auch überzeugte Raucher im Grunde ihres Herzens wussten, dass es besser so ist.
Manche gehen seither halt kaum noch ins Kaffeehaus und bleiben lieber daheim, wo sie noch nach Herzenslust pofeln können. Viele aber haben festgestellt, dass das Leben ohne Kaffeehaus noch sinnloser wäre als ohne Zigaretten – und mit dem Rauchen aufgehört. Es geht ihnen dabei ganz gut, weil im Café eh niemand mehr raucht. Nur im Frühling kommen jedes Jahr sentimentale Gefühle auf. Da staunt der Fachmann, und der Laie wundert sich: Wieso ausgerechnet im Frühling, da kann man doch eh draußen sitzen und tschicken?
Genau das ist das Problem. Der Anblick eines Schanigartens triggert im Ex-Raucher die Erinnerung; bei einigen ist das Verlangen nach einer Zigarette jetzt so stark, dass sie sich auch bei Prachtwetter lieber reinsetzen. Die Ober kümmern sich rührend um die Betroffenen. Der Chef lenkt sie mit Anekdoten ab und spendiert eine Mehlspeise. „Der Guglhupf ist ganz frisch. Geht aufs Haus, weil Frühling ist!“ Alle wissen: Es ist nur eine Phase, nach ein paar Tagen ist alles wieder gut.
Raucherparadies. Auch der frankophile Stammgast Michel – er besteht darauf, seinen Namen französisch auszusprechen – sitzt gerade lieber drinnen. Er hat früher viel geraucht (Gitanes natürlich) und erzählt gern von einem Traum, der ihm wie das Paradies vorkam. In dem Traum war er beim Arzt und ließ sich durchchecken. Danach sagte der Doktor: „Ihre Werte sind ideal, alles in Ordnung. Nur etwas mehr rauchen könnten sie!“
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