Lektion 27: Zwei Hälften machen eben kein Ganzes

Porträt von Anna-Maria Bauer.
Von einer Österreicherin die auszog - und den Hürden und Hindernissen, die sie dabei meistert.
Anna-Maria Bauer

Anna-Maria Bauer

Vor dem Auswandern fällt man gerne der romantischen Vorstellung anheim, künftig in zwei Ländern zu Hause zu sein. Nach fünf Jahren ist klar: Anstatt in zwei ist man vielmehr in keinem Land ganz zu Hause.

Während des Wien-Besuchs genießt man zwar die vermissten Maroniherzen und läuft kurzärmelig durch die isolierte Wohnung. Doch statt Melange trinkt man kannenweise Schwarztee, ist irritiert, wenn die Passanten in der Rushhour forsch in die U-Bahn drängen und fängt – zur Verwunderung aller Beteiligten – Gespräche mit Fremden an. Wie den meisten Briten (so hat es Charles Dickens in „A Message from the Sea“ akkurat festgehalten) wurde es „ein Ding der Unmöglichkeit“, sich mit jemandem in Reichweite nicht in eine Unterhaltung zu begeben.

Der Grantelfaktor

Zurück in der Wahlheimat läuft es aber auch nicht friktionsfrei. Am Bahnsteig hört man die viel zu vertrauten Worte „We apologise that your journey will take longer than expected“, und am Weg zum Haus passiert man drei (!) parkende Autos, bei denen der Motor läuft. Am Wochenende geht man essen. Ins feine Lokal vom britischen TV-Koch. Die Kellner sind: grantig. Vergessen zwei Mal die Getränke, servieren nicht ab, bringen keine Dessertkarte.

Kellner der alten Schule fallen gerne der romantischen Vorstellung anheim, dass Grant mit Charme gleichzusetzen sei. Doch das geht nur auf, wenn er mit perfektem Service kombiniert wird. Hier sollte sich England eine Scheibe von Wiener Kellnern abschneiden.

PS: Der Kolumnistin entgeht nicht die Ironie, dass auch sie derzeit dem Grant erlegen ist. Vielleicht sollte sie ebenfalls öfter nach Wien.

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