Abschied von guten Kameraden

Abschied von guten Kameraden
Für manche Abschiede braucht man länger. Besonders, wenn es dabei um die eigene Jugend geht.
Barbara Beer

Barbara Beer

Buchhändler dürften einen  besonderen Hang zum Gastgewerbe haben. Nein, an dieser Stelle soll heute nicht die Rede vom Café Engländer, dem zweiten Wohnzimmer vieler Journalisten und anderer Suchender sein. Schließlich ist auch dessen Betreiber, Christian Wukonigg, gelernter Buchhändler, ebenso wie  sein viel zu früh verstorbener Kollege Wolfgang Jelinek es war.
(Es gibt nicht wenige, die sich von diesem Abschied noch nicht erholt haben.)
Jetzt heißt es erneut Adieu sagen.
Nach 30 Jahren nimmt der gelernte Buchhändler und spätere kulinarische Nahversorger Kurt Heigl  Abschied vom Panigl. Das Lokal in der Josefstadt, 1989 als Niederlassung  des ursprünglich in der Schönlaterngasse gegründeten gleichnamigen Lokals eröffnet, war und ist eine wirkliche Wiener Institution.Wie passend daher das Zitat des amerikanischen Menschenbeobachters  Jack London auf der Homepage des Panigl: „Wirte sind immer gute Kameraden.“
Das Panigl war immer für einen da, wenn man nicht allein sein wollte. Ein Ort, wo man immer jemanden getroffen hat, wo einem der Kurt hinter der Budel immer ein Ohr und manchmal auch ein Achterl geschenkt hat und wo so gut wie immer Paolo Conte aus dem Lautsprecher kam. Legendär wurde dieses unfassbar gemütliche  Lokal nicht zuletzt wegen des komplett erfundenen Namens samt ausgedachter nachbarländischer Dependancen: „Enrico Panigl – TriestWienMarienbad. Schon  das Wort „Triest“ genügt den Wienern, um  Sehnsüchte zu wecken. Im konkreten Fall suggerierte es eine Quelle  qualitätsvoller Weinversorgung, die Ende der 1980er, als Wien noch dunkel und geheimnisvoll war, keineswegs selbstverständlich war.  An italienischen Weinen kannte das Gros der Wiener  Gastronomie   Chianti, Frascati, Valpolicella und Lambrusco. Und aus.  
(Letzterer schmeckte in der gängigen Variante ungefähr so wie Ribiselwein, sehr beliebt bei uns Jugendlichen. Liebe Jugendliche von heute: Wir haben ja nichts gehabt! Wien war bis in die späten 80er wirklich  finster!)
Herr Heigl mag jetzt nicht mehr und nach drei Jahrzehnten  darf er das auch. Wir dürfen dafür  ein bisschen traurig sein.  Und zwar, wie das oft bei Abschieden ist, auch ein bisserl unserer selbst willen, wenn wir uns an das graue Wien von 1989 erinnern, als wir sehr jung waren.  

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