Urtikaria: Wie neue Therapien das Leben der Patienten verbessern

Diskutierten über Urtikaria: Univ.-Prof. Wolfgang Weninger (MedUni Wien), Gabriele Kuhn (KURIER), Silvie Gross (Patientin), OA Johannes Raff (Wilhelminenspital Wien)
Gesundheitstalk. Zur Bewältigung der Erkrankung müssen die Patienten ihren eigenen Weg im Umgang finden.

Ein Erlebnis hat sich bei Silvie Gross ins Gedächtnis eingegraben: „Ich war damals durch Schwellungen und Entzündungen richtiggehend entstellt im Gesicht. Im U-Bahn-Waggon haben sich nach und nach alle Menschen in die andere Wagenhälfte verlagert.“ Erfahrungen wie Silvie Gross machen viele Patienten mit Nesselsucht (Urtikaria). „Für Laien ist so etwas schwierig einzuordnen“, sagt Wolfgang Weninger, Leiter der Klinik für Dermatologie an der MedUni Wien/AKH Wien.

Urtikaria: Wie neue Therapien das Leben der Patienten verbessern

Patientin Silvie Gross. Sie gründete den Urtikariaverband.

Plötzlich auftretende Symptome wie quälender Juckreiz, Quaddeln und schmerzhafte Schwellungen durch sogenannte Angioödeme – der große Gesundheitstalk „Immunsystem Haut“ von KURIER, MedUni Wien und Novartis im Van-Swieten-Saal der MedUni Wien ging im wahrsten Sinn des Wortes unter die Haut.

Urtikaria: Wie neue Therapien das Leben der Patienten verbessern

Univ.-Prof. Wolfgang Weninger, Leiter der Universitätsklinik für Dermatologie, MedUni Wien/AKH Wien

Weninger: „Hautkrankheiten können extrem belastend sein.“ Im Gegensatz zu früher, als Urtikaria nur dem allergischen Formenkreis zugeordnet wurde, weiß man heute: Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung.

Mastzellen im Zentrum

Dabei richtet sich das Immunsystem gegen Zellen des eigenen Körpers. Im Zentrum einer Urtikaria stehen die Mastzellen. Sie spielen im körpereigenen Abwehrsystem eine wichtige Rolle, in der Haut befinden sich viele. Sie sind allerdings auch bei manchen Allergien beteiligt. Das macht die Suche nach dem Auslöser einer Urtikaria oft besonders schwierig. Dermatologe Johannes Raff, Urtikaria-Spezialist am Wiener Wilhelminenspital erklärt: „Es gibt viele Mechanismen, die Urtikaria auslösen können. Warum das so ist, wissen wir nicht.“

Urtikaria: Wie neue Therapien das Leben der Patienten verbessern

Urtikaria-Experte Johannes Raff, Dermatologe im Wiener Wilhelminenspital

Ganz von allergischen Reaktionen zu trennen ist Urtika allerdings nicht immer. So kann etwa eine akute Urtikaria, durchaus die Folge einer Unverträglichkeit sein. „Es gibt aber viele Formen die gar nichts mit einer Allergie zu tun haben“, sagt Weninger. In der Praxis geht es vor allem darum, zuerst mögliche Auslöser zu finden.

Individuelle Schub-Auslöser

Das können etwa Nahrungsmittel sein, schildert Silvie Gross, Gründerin des Urtikariaverbands. „Was einen Schub auslöst, ist sehr individuell. Wir haben zum Beispiel Rückmeldungen von Patienten, dass sie auf bestimmte Nahrungsmittelzusätze reagieren.“ Raff: „Wir empfehlen aber nicht, eine bestimmte Diät einzuhalten.“

Auch Stress jeder Art kann die Krankheit verschlechtern, erläutert der Urtikaria-Experte. „Das ist ein Teufelskreis. Dadurch erhöht sich auch der Leidensdruck der Patienten.“

Symptomkontrolle

Das Ziel einer Urtikaria-Behandlung ist die sogenannte Symptomkontrolle. „Das heißt, dass keine Beschwerden auftreten“, erklärt Raff. Bei der Wahl der Behandlung wird nach der Ursache entschieden. Bei sehr vielen Patienten gelingt das mit Hilfe von Antihistaminika, die die Standardtherapie darstellen. „Die modernen Präparate sind gut verträglich und sehr wirksam.“

Andere Möglichkeiten sind Cortison oder für manche Krankheitsformen (jene, wo kein Auslöser für die Nesselsucht auffindbar ist) eine Antikörper-Therapie mit dem Wirkstoff Omalizumab. „Damit wird der Auslöser blockiert. Bei drei Viertel dieser Patienten gibt es sehr gute Erfolge. Die Lebensqualität verändert sich extrem positiv.“

Urtikaria: Wie neue Therapien das Leben der Patienten verbessern

Großes Publikumsinteresse beim Gesundheitstalk

Eigenen Weg finden

Was alle drei Diskussionsteilnehmer besonders betonten: Die Patienten sind selbst sehr gefordert. „Man sollte sich mit seiner Erkrankung auseinandersetzen. Jeder muss seinen Weg finden, um mit der Erkrankung umzugehen“, weiß Patientin Silvie Gross. „Für die Suche nach möglichen Auslösern ist das Führen eines Tagebuchs empfehlenswert, rät Weninger. „Manchmal ist es auch hilfreich, mit dem Smartphone ein Foto vom Ausschlag zu machen. Das erleichtert uns die Arbeit.“

Tipp: Die nächste Veranstaltung

Die nächste VeranstaltungDer nächste Gesundheitstalk von KURIER, MedUni Wien und Novartis findet nach der Sommerpause am 25. September 2019 zum Thema „Krebsmedizin 2020“ statt.  Am 16. Oktober 2019 diskutieren Experten über „Was die Kinderseele krank macht und wie wir helfen können“.

Veranstaltungsort:  Van-Swieten-Saal der MedUni Wien, Van-Swieten-Gasse 1a (Ecke Währinger Str.), 1090 Wien, 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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