Roland Liebscher-Bracht: Der YouTube-Star der Schmerzgeplagten

Roland Liebscher-Bracht: Der YouTube-Star der Schmerzgeplagten
Blick hinter das Phänomen: Der deutsche Techniker bewegt und polarisiert das Heer der Rückenmaroden.

Ein Schritt Anlauf nur, dann springt er sportlich auf die Bühne. Seine 62 Jahre sieht man ihm dabei kaum an. An der Hüfte kein Gramm zu viel, und im Vortrag eine Art Messias, der genau weiß, was bei den Leuten ankommt und was nicht. In Deutschland füllt Roland Liebscher-Bracht seit Jahren große Hallen, in Wien immerhin den neobarocken Festsaal namens Albert Hall. Mehr als 250 Menschen haben hier Platz genommen, um ihn live zu sehen. Kein Sitzplatz frei.

Die meisten kennen seine Videos aus dem Internet – mit seiner scharfen Kritik an unserem Gesundheitssystem und seinen leicht verständlichen Übungsanleitungen. Die frohe Kunde will er auch an diesem Abend bekräftigen: „Der Schmerz ist unser Freund.“

Warum eigentlich, Liebscher-Bracht

Das sehen nicht alle so im Saal. Das Publikum von Roland Liebscher-Bracht lässt sich grob in drei Gruppen einteilen: Jene, die mit dem kranken Rücken Geld verdienen – Interessierte aus diversen Gesundheitsjobs. Jene, die mit ihrem Rücken zu kämpfen haben – die Mehrheit aus der modernen Sitz-Gesellschaft. Und jene, die so wie der Mann auf der Bühne in Weiß gekleidet sind – das sind die von ihm Ausgebildeten.

Hütet euch vor Operationen!

Der studierte Maschinenbauer und passionierte Kampfsportler ist der klassische Quereinsteiger. Er trifft einen Nerv der Zeit: Endlich ist da jemand, der sich Zeit für uns nimmt! Und endlich erklärt uns jemand, welche unbändigen Kräfte wirken, wenn wir Rückenmuskeln, Bandscheiben und Faszien (vulgo Bindegewebe) einseitig beanspruchen, während die Muskeln Beuger und Strecker im Oberschenkel verkümmern!

So viel Zeit für eine Diagnose kann sich kein Kassenarzt nehmen. Auf die Ärzte ist RLB, so nennen ihn seine Fans, auch nicht gut zu sprechen. Seine Botschaft ist unmissverständlich: „Hütet euch vor der Schulmedizin! Neunzig Prozent der Rückenbeschwerden könnt ihr, wenn ihr auf meine Methode vertraut, ohne Schmerzmittel und ohne Operation einfach beseitigen! Schuld für eure Beschwerden sind nicht die Bandscheibenvorfälle, sondern die zu große Spannung, die auf Muskeln und Faszien lastet.“

Der körperaffine Techniker ist ständig unterwegs auf der Bühne, bringt dabei perfekt alle Muskeln, die er besitzt, in seine gut trainierte Körpersprache ein. Sein Publikum muss derweil das tun, wovor er es eigentlich warnt: lange sitzen.

Nach 25 Minuten eine erste Auflockerungsübung, an der sich alle freudig beteiligen. Auch noch, als sie von der Bühne Appelle hören: „Nicht aufhören, wenn es wehtut! Und: „Nur was quält, das zählt.“

Ein im Saal anwesender Physiotherapeut sagt offen: „Die Übung ist jetzt nicht unbedingt neu.“

Skeptisch bewertet er auch das Versprechen von RLB, dass man durch einfaches Drücken von 72 Punkten an den Knochen die Schmerzsignale im Gehirn einfach löschen kann. Auch deshalb, weil er auf nähere Informationen über diese Verheißung an diesem Abend erneut vergeblich wartet.

Hilft’s nicht, kostet’s nichts

Andere in der Albert Hall finden es lobenswert, dass der Vortrag ebenso wie die Übungsvideos gratis sind. Sie wollen Roland Liebscher-Bracht auch nicht ehrliche Ambitionen absprechen. Der gibt sich bei seinem Auftritt in Wien entspannt: „Probiert es doch einfach aus. Und wenn es nicht hilft, könnt ihr euch ja noch immer an der Bandscheibe operieren lassen.“

Sein Geld verdient der Influencer für die Generation der arg Bürogeschädigten anderswo: mit dem Verkauf seiner beiden Bestseller-Bücher, seiner Trainingsutensilien, der von seiner Frau entwickelten Nahrungsergänzungsmittel und vor allem mit dem Verkauf seines Wissens in Form einer viertägigen Ausbildung zum sogenannten Schmerzspezialisten, die er für rund 3000 Euro anbietet.

Die Gratis-Vorträge dienen somit auch dazu, das ausgedehnte Portfolio an den Mann und an die Frau zu bringen. Liebscher-Bracht lässt sein Wiener Publikum wissen, dass er im Salzburger Unfallchirurgen Egbert Ritter einen repräsentativen Fürsprecher gefunden hat. Der Angesprochene erzählt dem KURIER, dass er anfangs selbst skeptisch war, jedoch schnell eines Besseren belehrt worden sei. Weil er von der positiven Wirkung der alternativen Behandlung überzeugt ist, empfiehlt sie Ritter längst weiter. Inzwischen hat er sogar seinen Arbeitgeber, die mächtige AUVA, überzeugt, eine Studie über die Liebscher-Bracht-Methode zu starten.

Nicht alle halten durch

Der Vortragsabend in Wien zieht sich in die Länge. Manches wiederholt sich, anderes hat man schon woanders gehört. Liebscher-Bracht kommt erst nach zweieinhalb Stunden zu einem Ende. Nicht alle können oder wollen so lange bleiben. Denn der Experte für Schmerzen hat natürlich recht: Sitzen ist nicht per se schlecht, langes Sitzen jedoch sehr belastend.

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