Allgemeinmediziner: „Bis 70 möchte ich sicher weitermachen“

Allgemeinmediziner Rudolf Hainz: "Wir haben irrsinnig viele Stellen offen."
Rudolf Hainz hat seit 1980 seine Ordination. Von der „Aufwertung des Hausarztes“ merkt er bis heute nichts.

Seit mehr als 35 Jahren kommt Renate Kölbl zu Rudolf Hainz: „Ich habe vollstes Vertrauen zum Herrn Doktor – und ich werde sehr traurig sein, wenn er einmal nicht mehr hier ist.“ Am 2.1.1980 hat der Allgemeinmediziner seine Ordination in Wien-Hirschstetten eröffnet, jetzt ist er im 68. Lebensjahr. „Bis 70 möchte ich weitermachen, wenn mein Team und ich gesund bleiben.“ Wie er angefangen habe, „war Allgemeinmediziner ein Fulltime-Job – der Mann hat die Familie ernährt, die Frau war die Sprechstundenhilfe, das war das klassische Modell“.

Heute brauche es neue Modelle der Zusammenarbeit: Gruppenpraxen mit zwei, drei oder vier Ärzten, Job Sharing mit einem Mitarbeiter, Primärversorgungszentren: „Es muss eine Vielzahl an Varianten geben.“

Rudolf Hainz über die Nachwuchssorgen in der Allgemeinmedizin

In Wien gebe es derzeit 743 Allgemeinmediziner mit Gebietskrankenkassenvertrag – der höchste Stand in Wien waren 830, der niedrigste rund 730. „Wir haben irrsinnig viele Stellen offen, aber es bewirbt sich kaum jemand. Von sechs Ausschreibungen meldet sich vielleicht bei vier jemand, und das sind oft nur ganz wenige Bewerber.“ Der Hauptgrund: „15 Jahre lang hat man den Allgemeinmediziner nur zum Underdog gemacht, uns regelrecht abmontiert.“

Niedrigere Honorare

Zum Beispiel bei den Honoraren: „Für einen Patienten bekommt ein Allgemeinmediziner im Schnitt pro Quartal 50 Euro – dafür hat er im Schnitt 3,2 bis 3,5 Mal Kontakt mit dem Patienten. Der durchschnittliche ,Fallwert‘ bei einem Facharzt beträgt 75 bis 78 Euro – für 1,5 Patientenkontakte pro Quartal.“

In jeder Regierungserklärung seit den 80-er Jahren werde zwar „von der Aufwertung des Hausarztes“ gesprochen: „Aber womit hat man uns aufgewertet? Mit Administration und Bürokratie.“ Und nach der neuen neunmonatigen Basisausbildung würden sich die meisten für die Facharztausbildung entscheiden: „Außer es beseht eine wirklich große Liebe zur Allgemeinmedizin.“

3000 neue Wohnungen

Die Situation werde sich weiter verschärfen. Hainz sieht zum Fenster: „In den nächsten Jahren werden bei uns in Hirschstetten 3000 Wohnungen neu bezogen – das sind rund 7000 Menschen. Alleine um diese zu versorgen, benötigen wir mindestens ein bis zwei zusätzliche Allgemeinmediziner.“

Zum Glück sei es zumindest in Wien für Allgemeinmediziner und Kinderärzte weiterhin möglich, mit einer Ausnahmeregelung im Alter über 70 weiterzuarbeiten: „Von 35 Allgemeinmedizinern über 70 wollen das 28 tun.“ Und auch von 65- bis 69-Jährigen seien etlich dazu bereit: „Zum Glück, weil sonst wären die Engpässe schon jetzt noch viel ärger.“

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