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Unterwegs, um zu überzeugen: Jane Goodall ganz privat

Jane Goodall ist heuer 91-jährig verstorben. Ein ganz persönlicher Einblick in das Leben einer Frau, die eine konkrete Botschaft hatte: Du kannst etwas verändern, jeden Tag, jederzeit.

von Ingrid Greisenegger

 

Sie hatte Humor. Jane Goodall (3. April 1934 – 1. Oktober 2025), die Engländerin, die später die ganze Welt zu ihrer Heimat machte, hat manchmal, belustigt, eine viktorianische Anekdote erzählt.

Es geht um den Schock, den Charles Darwin mit seiner Evolutionstheorie bei einer feinen Dame auslöste. „Du meine Güte!“ soll diese gerufen haben, „wir sollen vom Affen abstammen?! Wir wollen hoffen, dass das nicht stimmt. Aber wenn es wahr ist, dann wollen wir beten, dass es nicht bekannt wird.“ Beginnend mit ihrer Forschungsarbeit, als 26-Jährige im tansanischen Regenwald, hat Goodall dem Wissen um die Entwicklung des Menschen und seiner nächsten Verwandten, den Primaten – irgendwie eine Art von Cousins – bahnbrechende neue Erkenntnisse hinzugefügt. 100 Jahre nach Darwins Publikation der „Entstehung der Arten“ wurde ihre Beobachtung an dem Schimpansen, den sie David Greybeard nannte, zur wissenschaftlichen Sensation.

 

"Sie sind dem Menschen so ähnlich"

Im Gombe Stream Wildreservat in Tansania, das später den Status eines Nationalparks erhielt, hatte Greybeard vor ihren Augen aus einem Zweig ein Werkzeug gefertigt, um damit Termiten aus ihrem Bau zu fischen. Das hatte man dieser Spezies zuvor nicht zugetraut. „Sie sind dem Menschen so ähnlich“, bekräftigt Jane Goodall das Ergebnis ihrer Verhaltensforschung, „dass sich die Linie verwischt, die früher so scharf gezogen wurde zwischen Mensch und Tier“. Die DNA, die Erbsubstanz, unterscheidet sich nur in 1,2 Prozent von der des Menschen. Goodalls in Gombe errichtete Forschungsstation ist bis heute die führende Institution für Schimpansenforschung und gleichzeitig die längste Freilandstudie der Welt. Doch Goodall selbst kam später nur mehr selten vorbei. 1986 entschied sie sich, nur mehr als Tierschutz- und Umweltaktivistin tätig zu sein. Das geschah in Reaktion auf die ökologische Krise in Äquatorialafrika und die verschärfte Notlage der verbliebenen Menschenaffenpopulation. Gab es am Beginn des 20. Jahrhunderts noch ein bis zwei Millionen Schimpansen, so leben inzwischen, optimistisch geschätzt, nur mehr 300.000 in freier Wildbahn. Das heißt: in den letzten 100 Jahren sind bis zu 1,7 Millionen von ihnen aus den Wäldern verschwunden.

 

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Jane im Gespräch. Die Linie ist verwischt, die früher zwischen Mensch und Tier gezogen war.
 

©Michael Neugebauer

Wissen als Schlüssel für Veränderung 

Die Schimpansen sind zahlreichen Gefahren ausgesetzt, die bei näherem Hinsehen aber genauso den Menschen betreffen. Die großflächige Abholzung des Regenwaldes ist zugleich Ursache für die dramatische Klimaveränderung, den Rückgang an Artenvielfalt und die Zunahme an Armut in den Tropenländern. Über das Jane Goodall Institute, ein weltweites Netzwerk von 27 Länderbüros und anderen Institutionen, wurden Schutz-, Forschungs-und Gemeinschaftsprogramme in Tansania, der Republik Kongo, Senegal und Uganda umgesetzt. Gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung wird nun Regenwald wieder aufgeforstet, nachhaltige Landwirtschaft betrieben und ein sanfter Schimpansen-Tourismus. Zentral ist die Ausbildung der lokalen Bevölkerung. „Es ist das Wissen, auf das wir setzen müssen, wenn wir eine Veränderung zum Guten bewirken wollen,“ sagte sie. Mit dieser Botschaft und der Erkenntnis: „Wir sitzen alle in einem Boot“ reiste Goodall, auch noch im hohen Alter, um die Welt, füllte große Säle mit Zuhörerschaft, übte – indem sie vorlebte, wie man auch anders glücklich sein kann – Kritik am Konsumverhalten. „Ich lebe ohnehin aus dem Koffer“ erklärte sie dem „grüne welt journal“, „mir genügen zwei Jacken für die Reisen. Wenn ich in eine andere Klimazone komme, borgen mir fallweise Freunde etwas.“ 

Es ist das Wissen, auf das wir setzen müssen, wenn wir eine Veränderung zum Guten bewirken wollen."

Jane Goodall, Primatenforscherin und Umweltschützerin

Weihnachten bei Jane Goodall

Weihnachten war die „Marathon“-Frau traditionell zu Hause, Freunde kamen, man ging spazieren an den südenglischen Stränden. Zum Fest speiste man vegetarisch, aß schwarze Schokolade und trank ein Glas Whiskey. Bei Vorträgen erklärte sie, wie der Verlust von Lebensräumen, der Mensch und Tier gleichermaßen betrifft, unmittelbar mit dem Konsumverhalten zusammenhängt.

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Jubilee, der Stoffaffe  hat Jane Goodall ein Leben lang begleitet: „Schon als Kind habe ich von Afrika geträumt“.
 

©Privat

Alle in einem Boot

In Erinnerung an Goodall, Dame Jane Goodall, wie sie nach der Ehrung durch die Queen tituliert wurde – ein Zitat aus einer persönlichen Unterhaltung mit ihr: „Ob Intensivtierhaltung, die Abholzung von Wäldern oder die Verschmutzung des Planeten durch Plastikmüll: Wir, die intelligenteste Spezies, haben das alles verursacht und müssen jetzt eben Verantwortung dafür übernehmen. Es ist nicht meine Art und auch nicht der richtige Ansatz, Menschen zu verurteilen und ihnen ihre Handlungen zu verbieten. Durch Verbote wird man sie nicht überzeugen können, ihren Lebensstil zu ändern. Viel eher möchte ich die Folgen des übermäßigen Konsums und zugleich Alternativen durch unsere ganzheitlichen Projekte aufzeigen“.

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