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TV: Milliardärsbunker - hat uns die Zukunft schon überholt?

In der Netflix-Serie erleben wir, wie KI nicht nur Stimmen, sondern auch Gesichter imitiert, um Video‑Calls zu ermöglichen. Wie realistisch ist das?

Der Milliardärsbunker wurde von den Haus des Geldes-Schöpfern Álex Pina und Esther Martínez Lobato entwickelt. Die Serie folgt einer Gruppe von Milliardären, die sich in einem luxuriösen Bunker verschanzen, während die Welt um sie herum im Chaos versinkt. Angeblich. Dabei wird  unterhaltsam betrogen und geliebt, gemordet und intrigiert, gekämpft und gevögelt – wie wir es von Pina gewohnt sind. 

Doch diesmal bringt der Spanier ein neues zentrales Element ins Spiel: Es ist nicht mehr ein einziger Mastermind wie in „Haus des Geldes“, das alle Eventualitäten unter Kontrolle hat („Der Professor“), sondern eine KI: „Roxán“. 

Sie steuert nicht nur die Systeme des Bunkers, sondern erstellt  auch digitale Klone der in Wahrheit gefangenen Milliardäre, um so Kommunikation zu ermöglichen und eventuelle Suchaktionen von draußen zu vermeiden. 

Nein, kein Spoiler, das darf man durchaus verraten, die Charade wird schon gegen Ende der ersten Folge aufgedeckt. Natürlich nur für die Zuseher, die armen Millionäre und Millionärskinder sitzen weiter im Bunker und denken, dass die Welt draußen komplett verstrahlt ist.  

Der Milliardärsbunker

Eine kleine Verneigung in Richtung "Fallout"? Die Bunkerbewohner erinnern in ihren blauen Anzügen an die "Vault"-Überlebenden aus dem von Jonathan Nolan erfolgreich verfilmten Game

©Tamara Arranz/NETFLIX

Wie in der Erfolgsserie „Fallout“, deren zweite Staffel ab 17. Dezember wieder auf Netflix läuft. Wobei man die blauen Anzüge, die alle „Geretteten“ im Milliardärsbunker tragen müssen, durchaus als charmante Verbeugung in Richtung der dystopischen Endzeit-Serie von Jonathan Nolan deuten kann. 

Doch während  „Fallout“   in einem fiktiven, retrofuturistischen Universum spielt, das weit von unserer Realität entfernt scheint, beschleicht einen bei Álex Pinas „Milliardärsbunker“ doch oft dieses Ja-das-könnte-verdammt-nochmal-wirklich-passieren-Gefühl.

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Der Eingang zum „Milliardärsbunker“ (Netflix). In der spanischen Erfolgsserie spielt die KI „Roxán“ eine wichtige Rolle 

©Tamara Arranz/NETFLIX

Sowohl was die – zum Glück nur scheinbare – Eskalation der weltweiten kriegerischen Tätigkeiten betrifft als auch, wenn’s darum geht, die armen reichen Menschen in ihrem Bunker auszutricksen.

Die in ihrem Verlies zunehmend repressiven Übergriffen ihrer „Retter“ ausgesetzt sind, während sie für ihre Freunde und Geschäftspartner einfach nur urlauben, und sich mit ihnen über Telefon und sogar Videocall unterhalten. Was eben die bereits erwähnte KI „Roxán“ ohne ihr Wissen für sie übernimmt.

Da stellt sich doch die Frage: Sind wir schon so weit? Könnte es wirklich passieren, dass irgendein Scherzbold in meinem Namen bei irgendwem anruft und mich in Schwierigkeiten bringt? Die Antwort ist: leider ja.

Vorausgesetzt, dass die KI genügend Analysematerial hat – also eine menschliche Stimme in verschiedenen Situationen, beeinflusst von den unterschiedlichsten Emotionen – kann sie diese menschliche Stimme täuschend echt imitieren. 

Milliardärsbunker

In Spanien ist Alícia Falcó seit Jahren ein Star - bei uns wurde sie durch den Milliardärsbunker entdect

©Carla Oset/NETFLIX/Tamara Arranz/NETFLIX

Tools wie ElevenLabs ermöglichen es, Stimmen nahezu perfekt nachzuahmen. So perfekt, dass der Guardian über tatsächlich stattgefundene Betrügereien berichtete, sogar hochrangige CEOs internationaler Firmen sollen auf diese Weise schon getäuscht worden sein.

Auch die Gesichtssimulation funktioniert bereits sehr gut, Forschungstools wie Neural Voice Puppetry oder kommerzielle Produkte wie Beyond Presence erzeugen  Avatare, die von ihren menschlichen Vorbildern praktisch nicht zu unterscheiden sind. 

Genau auf diese Weise funktionieren die immer häufigeren virtuellen Influencer, aber auch Bands wie die K-Pop-„Stars“ Eternity, die auf YouTube für Aufsehen sorgen.

Einen Haken hat die Sache allerdings. Noch. Visuell sind derzeit nur voraufgezeichnete Videos mit KI-generierten Menschen nahe an der Perfektion. Ein Live-Videocall  mit einer virtuellen Person an einem Ende ist aber  doch noch nicht im Bereich des Möglichen. 

Mikroexpressionen, Lichtwechsel und vor allem spontane Reaktionen lassen die Illusion schnell wackeln. Echtzeit-Deepfakes über längere Videocalls sind ganz einfach zu aufwendig und störanfällig. Noch.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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